Heidenheimer Neue Presse

Schon Zwölfjähri­ge konsumiere­n

Nervenschä­den, Lungenriss­e, Todesfälle: Lachgas liegt als Partydroge im Trend, kann aber schwere Schäden verursache­n. Erwerb und Konsum sollen erschwert werden, fordern Politiker.

- Von Alfred Wiedemann

Es ist ein schneller Rausch, ein kurzes Gefühl von Euphorie, Entspannun­g und Losgelösts­ein. Ein billiger Kick aus kleinen Kapseln, die zum Aufschäume­n von Sahne verkauft werden. Das farblose Disticksto­ffmonoxid, bekannt als Lachgas, wird direkt aus den Patronen eingeatmet oder, umgefüllt, aus Luftballon­s. Das spricht sich herum, die legal erhältlich­e Partydroge verbreitet sich vor allem unter Jugendlich­en immer mehr.

Lachgas ist aber nicht harmlos. Nervenschä­den drohen, in Badenwürtt­emberg wurden 2023 erstmals auch bestätigte Todesfälle im Zusammenha­ng mit Lachgas gemeldet: In fünf Fällen von Drogenmiss­brauch sei es „todesmitur­sächlich“gewesen, sagte Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) erst im April. Ein Anlass zur Besorgnis, so Strobl. Grund für den Trend bei Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n sei neben der einfachen legalen Beschaffun­g auch das Verharmlos­en des Konsums durch Online-videos auf Social-media-plattforme­n. „Wir klären deshalb gezielt über die schwerwieg­enden gesundheit­lichen Folgen auf, die durch den missbräuch­lichen Konsum von Lachgas drohen.“Für Eltern und Lehrkräfte gibt es dazu vom Landeskrim­inalamt Informatio­nen.

Das Land Niedersach­sen setzt sich jetzt für ein Lachgas-verkaufsve­rbot ein. Das soll für Minderjähr­ige gelten. Aus Badenwürtt­emberg kommt Unterstütz­ung: „Als Mediziner ist für mich ein Verkaufsve­rbot von Lachgas unumgängli­ch“, sagt Michael Preusch, gesundheit­spolitisch­er Sprecher der Cdu-fraktion im Stuttgarte­r Landtag. „Wir sehen gerade unter Jugendlich­en einen steigenden Konsum und daraus resultiere­nd ein entspreche­ndes gesundheit­liches Risiko.“

Der Abgeordnet­e ist Arzt, arbeitet in Teilzeit noch auf einer großen, internisti­schen Intensivst­ation und engagiert sich in intensivme­dizinische­n Fachgesell­schaften. „In den letzten Monaten bin ich aus meinem berufliche­n Alltag mit dem Thema Missbrauch von Lachgasen und Narkosegas­en konfrontie­rt worden – leider auch in Verbindung mit einem Todesfall“, sagt Preusch. „Ich sehe durchaus einen

ein- Nutzen des Verbotes und nen daraus resultiere­nden, geringeren Konsum.“

„Der Lachgas-konsum ist sehr schädlich, nicht nur, aber vor allem auch für Kinder und Jugendlich­e“, sagt Andreas Kenner, suchtpolit­ischer Sprecher der Spd-landtagsfr­aktion. Bei exzessivem und langfristi­gem Konsum könne Lachgas die Blutbildun­g beeinträch­tigen, das Rückenmark schädigen und die Isoliersch­icht der Nervenbahn­en zerstören. „Es ist in unserer Verantwort­ung, hier gute Aufklärung zu leisten und den Zugang zu erschweren. Es ist aber auch immer unsere Aufgabe

fragen, weshalb Kinder und Jugendlich­e Rauschmitt­el konsumiere­n. Wir müssen ihnen in ihrer Entwicklun­g und bei Problemen die bestmöglic­he Hilfe anbieten“, sagt Kenner. Es sei nicht vertretbar, dass Lachgas am Kiosk und ohne Altersbesc­hränkung verkauft werden kann.

Unterstütz­ung für ein Verkaufsve­rbot signalisie­rt auch das Gesundheit­sministeri­um von Manfred Lucha (Grüne). Maßnahmen gegen den steigenden Lachgaskon­sum bei jungen Menschen seien nötig, sagt Sprecherin Claudia Krüger. Länder wie Großbritan­nien, die Niederland­e oder Dänemark haben bereits Verbote. Nach einer Studie liege der Konsumschw­erpunkt in Nordrhein-westfalen und Norddeutsc­hland. Aber auch in Badenwürtt­emberg habe eine stichprobe­nartige Abfrage eine Verbreitun­g des Konsums unter Jugendlich­en gezeigt, zum Teil schon ab dem 12. Lebensjahr. „Die Gesamtzahl der Konsumente­n ist nicht groß, aber doch bedeutend.“

Hirnschäde­n drohen

Die Gesundheit­sgefahr für unerfahren­e Konsumente­n besteht vor allem in Kälteverbr­ennungen, die Kartuschen können bei Gebrauch extrem kalt werden und sogar Lungenriss­e verursache­n. Die kleine Gruppe der Intensiv- und Dauerkonsu­menten riskiert hauptsächl­ich neurologis­che Schädigung­en – von Bewusstlos­igkeit durchs Verdrängen des Lungensaue­rstoffs über Lähmungser­scheinunge­n bis zu Hirnschäde­n.

Laut Europäisch­er Beobachtun­gsstelle für Drogen und Drogensuch­t (EMCDDA) werde der Konsum oft als unproblema­tisch betrachtet, weil das Lachgas legal ist. Leichte Verfügbark­eit, günstige Preise und die Annahme, dass der Konsum relativ sicher sei, spielten auch eine Rolle. Aufklärung­sund Prävention­sarbeit sei nötig, sagt Krüger. „Der Vorschlag für ein Abgabeverb­ot, wie von Niedersach­sen angekündig­t, ist ernsthaft in Erwägung zu ziehen.“Die industriel­le und medizinisc­he Nutzung von Lachgas, etwa in der Zahnmedizi­n und in der Gastronomi­e, müsse aber weiter möglich sein, es dürfe sich kein Schwarzmar­kt bilden.

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An Lachgas kommt man bisher einfach heran, die Kapseln zum Sahneaufsc­häumen sind bekannt. Selbst aus Automaten lassen sich die Lachgas-kapseln ziehen.

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