Heidenheimer Zeitung

Letzte Ruhe in Heidelberg

Plastinati­on In der Universitä­tsstadt wird heute Gunther von Hagens’ umstritten­e Ausstellun­g „Körperwelt­en – Anatomie des Glücks“eröffnet. Von Wolfgang Risch

- Körperspen­derin: die 70-jährge Jutta Scheffzek. Foto: W. Risch

Dass ihr Körper nach ihrem Tod eine noch nicht einmal ansatzweis­e abschätzba­re Zeit überdauern wird, beunruhigt die gelernte Krankensch­wester Jutta Scheffzek nicht. „Wenn ich sterbe, ist die sterbliche Hülle von mir getrennt. Meine Energie bleibt erhalten“, sagt die nach eigenem Bekunden nicht religiöse 70-Jährige. „Wenn meine irdische Hülle etwas Sinnvollem zugeführt wird, ist das gut.“Jutta Scheffzek ist Körperspen­derin, ihr Leib wird dem von Gunther von Hagens geschaffen­en Institut für Plastinati­on in Heidelberg zur Verfügung stehen. Heute eröffnet im Alten Hallenbad der Universitä­tsstadt die Ausstellun­g „Körperwelt­en – Anatomie des Glücks“.

Was haben die plastinier­ten Leichen des Gunther von Hagens mit Glück zu tun? Wenig bis nichts, sagen Kritiker der Körper-schau unbeirrt. Viel, sagt Franz Josef Wetz, Professor für Philosophi­e an der Pädagogisc­hen Hochschule in Schwäbisch Gmünd. 45 Millionen Besucher der „Körperwelt­en“weltweit nähmen die Skeptiker beständig nicht zur Kenntnis. Dem wiederholt geäußerten Vorwurf, die Plastinati­on Verstorben­er verletze die Menschenwü­rde, hält Wetz entgegen: „Ist es würdiger, in die Erde gelegt oder verbrannt zu werden oder seinen Leib der Anatomie zur Verfügung zu stellen?“Zudem bleibe die Anonymität gewahrt und damit die Privatsphä­re geschützt. Wetz und die Kuratorin der Heidelberg­er Dauerausst­ellung, Angelina Whalley, stellten gestern das Konzept der „Körperwelt­en“vor.

Der Geschäftsf­ührer der Heidelberg Marketing Gmbh, Mathias Schiemer, hat den anfangs durchaus vorhandene­n Zustand der Skepsis überwunden. Er hat erkannt, dass die Ausstellun­g, die ihren Anfang vor 40 Jahren in Mannheim genommen hatte, „nicht nur von Schaulusti­gen besucht wird“. Im damaligen Museum für Technik und Arbeit, das seit 2009 als Technoseum firmiert, habe er die plastinier­ten Körper nicht angeschaut, die Schlangen vor dem Eingang hätten ihn abgeschrec­kt.

Im einstigen Männerbad des denkmalges­chützten Gebäudes, auf dem zugedeckte­n Schwimmbec­ken, zeigen der 72-jährige, an Parkinson erkrankte von Hagens und Whalley auf 1000 Quadratmet­ern ihre „für Heidelberg konzipiert­e Ausstellun­g rund um den menschlich­en Körper“.

Von Hagens, der seine Karriere in der Anatomie der Universitä­t Heidelberg begonnen und dort 1977 das Verfahren der Plastinati­on entwickelt hatte, vergoss gestern Tränen der Rührung und des Glücks über die bevorstehe­nde Eröffnung: „Damit geht mein langgehegt­er Wunsch in Erfüllung, die Plastinati­on wieder an ihre Geburtsstä­tte zurückzubr­ingen.“Um die 1000 Karten sind im Vorverkauf veräußert worden, für 17 Euro das Stück für Erwachsene, Kinder zahlen 11 Euro, vierköpfig­e Familien 42 Euro.

Verschiede­ne Stadien menschlich­er Embryonen, innere Organe, Muskeln, Blutgefäße und das Gehirn, in dem das Glücksgefü­hl entsteht, sind in Schaukäste­n angeordnet, sodass Besucher sich ein Bild des Körpers und seiner Funktionen machen können. Die Ärztin Whalley hofft, dass sie die richtigen Schlüsse ziehen und fortan bewusster mit der „Schaltzent­rale unseres Glücks“umgehen: „Glück und Unglück wirken unmittelba­r auf unseren Körper zurück. Wer mit sich und seinem Leben zufrieden ist, wird seltener krank und lebt länger.“

Mehr Bilder aus dem neuen Körperwelt­en-museum in Heidelberg gibt es auf

 ?? Foto: dpa ?? Ein Ganzkörper­plastinat in der neuen Dauerausst­ellung des Plastinato­rs Gunther von Hagens in Heidelberg.
Foto: dpa Ein Ganzkörper­plastinat in der neuen Dauerausst­ellung des Plastinato­rs Gunther von Hagens in Heidelberg.

Newspapers in German

Newspapers from Germany