Heidenheimer Zeitung

Es geht um Gier und Bosheit

Krimi Donna Leon wird 75. Die Schöpferin des Kommissars Brunetti interessie­ren Irrungen und Machenscha­ften.

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Donna Leon ist im Gespräch wie ein lebendiges Buch. Mal hält sie die Finger wie Zangen an die Schläfen und imitiert eine Zecke, um zu zeigen, wie angstbeses­sen Amerikaner sind. Oder sie macht vor, wie sie sich aus Frust über die Nachrichte­n nach dem Wahlsieg von Donald Trump das Onlinezeit­ung-lesen abgewöhnte: Sie reißt die Augen auf und stöhnt mit tiefer Stimme: „Cooooold Turkey“– kalter Entzug. Heute wird sie 75. Es werde ein Tag wie jeder andere, sagt sie. „Ich bin echt nicht der Feiertyp.“

Eigentlich dreht sich bei der Amerikaner­in Leon nichts um die USA und alles um Venedig. Dort war sie jahrzehnte­lang zu Hause, dort deckt ihr feinfühlig­er, belesener Commissari­o Brunetti trotz Korruption und Sumpf Verbrechen auf.

Nach Italien war Leon als Studentin gekommen. Sie unterricht­ete dort als Literaturw­issenschaf­tlerin englische Literatur, dann flüchtete sie vor den Touristen. „Die Stadt ist dazu verdammt, noch kitschiger, geschmackl­oser und hässlicher zu werden.“Und diese Touristen! „Das ist eines der Rätsel der Menschheit. Wenn jemand ständig Bermudas, Tennisschu­he und T-shirt trägt, wieso läuft er dann mit einem Koffer herum, der größer ist als er selbst?“

Leon lebt seit Jahren in einem Dorf in Graubünden in der Schweiz, nahe der italienisc­hen Grenze. „Bald kann ich einen Pass beantragen“, sagt sie. „Ich mag die Vorstellun­g, bald Europäerin zu sein.“

Mit den Brunetti-krimis hat Leon ein Genre jenseits des Schemas „Mord-ermitteln-täter überführen“geschaffen. Wer bei Krimis am Ende die Bösen überführt und hinter Gitter sehen möchte, ist falsch bei ihr. „Mich interessie­rt weniger das Wer als das Warum“, sagt sie. „Ich will wissen, was jemanden zu der Tat getrieben hat.“

So endet nicht jeder Brunetti mit einem überführte­n Mörder. Und manchmal ist am Ende nicht mal ganz klar, ob es überhaupt einen Mord gab. Vielmehr spürt Leon menschlich­en Irrungen, gesellscha­ftlichen Zwängen, politische­n Machenscha­ften nach.

Der Brunetti 2018 ist schon fertig. „Es geht um Gier und Bosheit, ganz klassisch, zurück zu den Krimi-standards“, sagt Leon. Der englische Titel: „The Temptation of Forgivenes­s“heißt übersetzt „Die Versuchung des Vergebens“. Der deutsche Titel steht noch nicht fest.

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Foto: dpa
Wird heute 75: die Schriftste­llerin Donna Leon. Foto: dpa

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