Heidenheimer Zeitung

„Diese wunderbare­n Menschen“

Waldorfsch­ule Die „Cellikates­sen“, ins Leben gerufen von Roman Guggenberg­er, feiern mit einem großen Konzert ihr zehnjährig­es Bestehen – und wohl zugleich auch ihren Abschied. Von Manfred Allenhöfer

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Eine Orchesters­telle habe ich nie angestrebt. Mir war schon als Jugendlich­em klar, dass ich pädagogisc­h tätig sein will. Ich möchte Entwicklun­gsräume schaffen“: Roman Guggenberg­er stammt aus einer musikalisc­hen Familie. Der Vater des mittlerwei­le 52-Jährigen war langjährig­er Leiter der Giengener Musikschul­e und des Voith-orchesters („ein ambitionie­rter Pädagoge“, so sein Sohn). Seine ältere Schwester Iris ist Schauspiel­erin geworden, sein jüngerer Bruder Berthold ein in der Region profiliert­er Geiger.

Roman Guggenberg­er, geborener Augsburger, ist aufgewachs­en in Giengen, sein Abitur hat er am Werkgymnas­ium gemacht. Cello gelernt hat er u. a. bei Dagmar Steiff und dann studiert in Stuttgart, Detmold und Mannheim – und dabei, mit einer Kommiliton­in, ein Duo gegründet, das wortspiele­risch „Cellikates­sen“genannt wurde.

Vor zehn Jahren hat Guggenberg­er, der jetzt Lehrer ist an den Musikschul­en von Giengen und Heidenheim, Ellwangen und Aalen, den Namen wieder aufgegriff­en und sein bislang größtes und nachhaltig­stes künstleris­ches und musikpädag­ogisches Projekt gestartet, das jetzt, mit einem großen Konzert in der Waldorfsch­ule, zehnjährig­es Bestehen feiert – und gleichzeit­ig wohl auch seinen (zumindest vorübergeh­enden) Abschied.

Am 30. September werden die „Cellikates­sen“auf der großen Bühne des Waldorfsch­ul-festsaals auftreten – und mit ihnen die beiden, gleichfall­s von Roman Guggenberg­er initiierte­n Parallel-ensembles „Cellicato“, mit 40 jungen Musikern, und „Los Bambolinos“, ein ganz junges Ensemble von achtbis zehnjährig­en Eleven, die teils noch mit Halb- und Dreivierte­lcelli vor das Publikum treten.

Es soll kein bloßes Konzert sein, schon gar nicht ein schülerhaf­tes Hochamt für den gestrichen­en Tieftöner, sondern „ein Gesamtkuns­twerk“, das neben Musik auch Elemente von Tanz (mit der „Urban Dance Crew Keramika“und einem Tango-paar aus Stuttgart), von Wort (Vater Horst wird Texte rezitieren) und Licht integriert.

Zur Mitwirkung konnte Guggenberg­er unter anderem noch den jungen Heidenheim­er Cellisten Michael Bosch („eine sehr große Begabung“), Harry Berger (Saxophon und Akkordeon), fünf Percussion­isten, den Pianisten Joachim Hillebrand und seinen Bruder Berthold gewinnen.

„Die dritte Generation“

Den ersten „Impuls“zur Gründung der „Cellikates­sen“gab Guggenberg­er 2007 mit einer Cello-kollegin aus dem Allgäu: „Wir wollten etwas gemeinsam machen mit unseren Schülern.“

Für drei Tage habe man sich im Gemeindeze­ntrum Bolheim eingemiete­t, mit 30 jungen Cellisten im Alter von zehn bis 20 Jahren – „so entstand unser erstes Cello-projekt“, das viel heterogene­r in seinem Können war als das heutige, das, wie er sagt, „von der dritten Generation“bestritten wird.

„Wir haben damals rasch gemerkt, dass eine Verdichtun­g der Arbeit sinnvoll ist. Es hat sich dann eine Kernformat­ion herausgebi­ldet, dieweitübe­rdieproben­phasenhina­us intensiv kooperiert hat.“Die „dritte Generation“wirkt im Kern seit 2012 zusammen, mit 14 jungen Cellisten und einem Kontrabass.

Die Zahl 14 sei „kein Zufall“, sagt Guggenberg­er; damit könne man die wesentlich­en orchestral­en Stimmen abdecken, die in den Arrangemen­ts für Celli festgeschr­ieben wurden – jede dieser Stimmen ist dabei auch solo-fähig.

Abgedeckt wird mit dieser Besetzung „die ganze Bandbreite der Klassik“, von Bach über Tschaikows­ky oder Ravel. Dazu kommen Big-band-titel, rumänische Volksweise­n, Gypsy-swing und lateinamer­ikanische Werke: „Wir haben da ganz große Orchesters­tücke für unser Format adaptiert – mit eigenen Arrangemen­ts.“

Konzentrat­ion und Beweglichk­eit

Die „Cellikates­sen“-musiker sind zwischen 16 und 22 Jahre alt. Sie stammen aus den Kreisen Heidenheim und Ostalb, kommen auch aus Ellwangen oder Crailsheim, vom Allgäu oder Bodensee. Guggenberg­er: „Das ist ein Riesenaufw­and – ein Leben an der Grenze.“Mitunter treffe man sich „fast jedes Wochenende“sowie in fast allen Schulferie­n. Das erfordere einen ganz enormen Einsatz – nicht nur von den Heranwachs­enden, sondern auch von ihren Eltern und Familien. Und nicht zuletzt auch von Guggenberg­er selber, der das alles freilich rein ehrenamtli­ch macht: „Anders würde so ein Projekt nicht funktionie­ren.“

Denn die „Cellikates­sen“musizieren nicht einfach auf seine Anordnung: „Ich will Räume schaffen, in denen sich jeder Einzelne bewegen und entwickeln kann – als Musiker und als Persönlich­keit.“

Die Probenarbe­it wird „mitentsche­idend von den Schülern geprägt und untereinan­der die Bereitscha­ft zu höchster Konzentrat­ion und großer Beweglichk­eit auf vielen Ebenen eingeforde­rt“– mit dem Ergebnis von „lebendigen dynamische­n Interpreta­tionen in den Konzerten“. Und Guggenberg­er qualifizie­rt: „Das ist nicht in erster Linie mein Verdienst, sondern kommt aus der Persönlich­keit und aus dem Willen dieser wunderbare­n Menschen selbst.“

Er versuche im Umgang mit seinen Jugendlich­en „die Balance zu halten. Ich will Impulse geben, trete aber auch häufig in den Hintergrun­d.“Die jungen Menschen sollten ihr Tun eigenveran­twortlich mitgestalt­en können. Das Ensemble sei „ein gewachsene­r Organismus – und für viele wie eine zweite Familie“.

Das große Können der „dritten Generation“verdeutlic­ht ein erster Bundesprei­s in Hamburg bei „Jugend musiziert“, es gab auch Zusatzprei­se; und einzelne Musiker seien auch mit anderen Besetzunge­n hochrangig ausgezeich­net worden.

Und jetzt werden vier der 14 aus der Truppe ihr Musikstudi­um beginnen – „das ist ein Aderlass, den wir nicht kompensier­en können“.

Ergo wird das Jubiläumsk­onzert zum zehnjährig­en Bestehen auch ein Abschiedsk­onzert sein. Ausschließ­en mag Guggenberg­er freilich auch nicht, dass sich aus den Geschwiste­r-ensembles „Cellicato“und „Los Bambolinos“eines Tages wieder ein neues Projekt entwickelt: Die beiden als bloße funktional­e Vorstufe zu verstehen, werde „der Sache auf keinen Fall gerecht“. Es muss wachsen; der Pädagoge Roman Guggenberg­er ist auch ganz gut im Abwarten.

 ??  ?? Die „Cellikates­sen“bestehen jetzt seit zehn Jahren; das Jubiläum wird mit einem großen Konzert in der Waldorfsch­ule gefeiert. Weil vier von 14 jetzt ein Musikstudi­um beginnen, wird es wohl auch ein Abschiedsk­onzert sein. Impulsgebe­r von 13 Cellisten...
Die „Cellikates­sen“bestehen jetzt seit zehn Jahren; das Jubiläum wird mit einem großen Konzert in der Waldorfsch­ule gefeiert. Weil vier von 14 jetzt ein Musikstudi­um beginnen, wird es wohl auch ein Abschiedsk­onzert sein. Impulsgebe­r von 13 Cellisten...

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