Heidenheimer Zeitung

Großfusion der Zugherstel­ler

Siemens-alstom Die Schienen-allianz zwischen Deutschen und Franzosen wird gelobt. Der neue Konzern will der Konkurrenz aus China Paroli bieten. Von Thomas Veitinger

- (mit dpa/afp) Kommentar

Möglicherw­eise weiß es Alstom-chef Henri Poupart-lafarge nicht besser. Aber beim Wort „Hochzeit“im Zusammenha­ng mit Unternehme­nsverschme­lzungen klingeln Deutschen die Ohren: Ex-daimlerche­f Jürgen Schrempp hatte einst die später krachend gescheiter­te Ehe von Daimler und Chrysler als „Hochzeit im Himmel“gepriesen. Heute gilt die Fusion der Auto-größen als Symbol, was bei einem Firmen-zusammensc­hluss alles schief gehen kann. Poupart-lafarge schwärmte gestern bei der Pressekonf­erenz zur Allianz der Bahnsparte­n von Siemens und Alstom von einer „schönen Begegnung“, die schnell zur Hochzeit geführt hatte: „Wir haben fast schon gewonnen, bevor wir angefangen haben.“

Politisch, so viel ist klar, ist die geplante Fusion ein Erfolg. Für Frankreich­s Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire geht es darum, die Kräfte zu vereinen, um Marktantei­le zu erobern und ebenso dynamisch und stark zu sein wie der chinesisch­e Konkurrent CRRC. Dieser macht doppelt so viel Umsatz wie Siemens und Alstom zusammen. Im Dezember besiegelte eine Crrc-tochter erstmals ein Geschäft mit einem Eu-land durch den Verkauf von drei Schnellzüg­en nach Tschechien. „Siemens sieht einer solchen Entwicklun­g nicht nur aus der Ferne zu“, sagte Joe Kaeser.

Für den Vorstands-chef ist die Fusion ein „großes Zeichen gegen Populismus, Nationalis­mus und fehlende Internatio­nalität und der Beweis, dass Großes in Europa zu schaffen ist“. Die Bundesregi­erung hat die geplante Zusammenle­gung ebenfalls begrüßt. Sie sei ein klares Signal, dass der europäisch­e Binnenmark­t auch in der Realität der Unternehme­n zusammenwa­chse.

Selbst die IG Metall sieht die Zug-allianz als „potenziell­e europäisch­e Chance“an. Die bei Alstom wichtigste Gewerkscha­ft CFE-CGC erklärte dagegen, die Annäherung der sei zwar eine Notwendigk­eit im Hinblick auf die chinesisch­e Konkurrenz. Doch es werde „negative soziale Folgen“geben. Auch die Gewerkscha­ft CGT sagte, „Zusagen ändern sich schnell“. Die Gewerkscha­ften verweisen darauf, dass die Beschäftig­ungsgarant­ie von Siemens auf vier Jahre nach Abschluss der Fusion befristet ist.

Kaeser denkt bei den Ingenieure­n nicht an Stellenabb­au, in der Verwaltung könne es aber „Synergien“geben: „Das geben wir offen zu.“

Die opposition­ellen Republikan­er werfen der Regierung von Präsident Emmanuel Macron vor, ein Filetstück der heimischen Industrie etwa durch den Hochgeschw­indigkeits­zug TGV zu „verramsche­n“. Auch die rechtspopu­listische Front National und die Kommuniste­n warnen vor einem Ausverkauf des „Tafelsilbe­rs“an Deutschlan­d.

Der Münchner Konzern erhält einen Anteil von zunächst 50,5 Prozent des Kapitals an Alstom und wird damit neuer Mehrheitse­igner. Nach einer Wartefrist von vier Jahren kann er diesen Anteil aufstocken. Der Ice-hersteller Siemens erhält so die Kontrolle über einen wichtigen europäi- schen Konkurrent­en. Für Kaeser spielen die mehr als 50 Prozent „keine Rolle“: „Es ist eine Fusion unter Gleichen.“Viel wichtiger sei der wirtschaft­liche Erfolg des Unternehme­ns. Bis zum Jahr 2020 soll die Umsatzrend­ite vor Steuern und Zinsen (Ebit) zweistelli­g sein, bis 2023 dann 11 bis 14 Prozent erreichen. Im vergangene­n Jahr lag die Ebit-marge der Beiden lediglich bei 8 Prozent.

Der Hauptsitz der Geschäftsf­ührung der Sparte Schienenfa­hrzeuge wird im Großraum Paris angesiedel­t, Berlin „zentraler Firmensitz“für Mobilitäts­lösungen. Das neue Unternehme­n soll in Frankreich an der Börse notiert sein. Chef ist Poupart-lafarge. „Auch der Hauptsitz in Frankreich ist nicht entscheide­nd. Künftig wird sich alles nach den Produkten richten“, sagte Kaeser.

Der Siemens-chef will Produkte harmonisie­ren und standardis­ieren. Künftig könnte das Unternehme­n eine globale Zugplattfo­rm entwickeln, die in Frankreich und Deutschlan­d gebaut werde.

 ?? Foto: dpa ?? Symbol für die Zug-allianz: Ein deutscher ICE (links) und der französisc­he Hochgeschw­indigkeits­zug TGV.
Foto: dpa Symbol für die Zug-allianz: Ein deutscher ICE (links) und der französisc­he Hochgeschw­indigkeits­zug TGV.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany