Neue Gastro-tempel in alten Hallen
Markthallen Jahrzehnte standen sie im Schatten der Supermärkte. Jetzt sind sie zurück – mit neuem Gesicht.
Karl Heinz Fechner würde die Zeit lieber zurückdrehen. Früher verkaufte er mehr „Drachenfutter“. So nennt der Berliner seine Blumen, die er in der Markthalle im Stadtteil Moabit vertreibt. Als die Arbeiter noch freitags die Lohntüte bekamen und sich gleich ein paar Biere genehmigten, seien sie zu ihm in die Halle gekommen. „Dann kaufte man für die Frau zu Hause bei mir das Drachenfutter.“
Seit einem halben Jahrhundert verkauft Fechner in der Arminiushalle Blumen, 80 Jahre ist er inzwischen alt und steht doch jeden Tag zwölf Stunden hinter seinen Blumenkübeln, unter Gusseisenbögen der Kaiserzeit. Doch bierselige Arbeiter kommen kaum noch, dafür Angestellte und Beamte. „Und Leute, die zu faul sind zum kochen“, wie Fechner sagt.
Eineinhalb Jahrhunderte nach dem Bau der ersten deutschen Markthalle haben sich viele Hal- len zu Gastro-tempeln gewandelt – und oft ihr Comeback gesichert. Wo früher Arbeiterinnen Kohlrabi kauften, treffen sich Großstädter heute bei Burger, Bier und Wein.
Berlin wuchs vor 150 Jahren rasant, noch viel schneller als heute, und die offenen Wochenmärkte waren oft chaotisch. Besonders sauber ging es dort auch nicht zu, wie Forscher der Technischen Uni Berlin schildern. „Der Ruf nach geschlossenen, hygienischen und kontrollierten Handelsorten wurde laut.“
Jetzt stehen auf den denkmalgeschützten Podesten für Marktstände Tische aus Weinkisten und Bänke aus Euro-paletten. „Die Halle war tot“, blickt Manager Yiannis Kaufmann ein Jahrzehnt zurück. Dann übernahmen Investoren die Halle vom Berliner Großmarkt und schafften Platz für Gastronomen.
Verbraucher suchten wieder den direkten Kontakt zu Verkäufern und Produzenten, sie wollten wissen, woher ihre Lebensmittel stammen – das spreche für die Markthalle, heißt es in der Tu-studie. Heute hat Markthalle wieder einen guten Klang, auch weil die Hallen wie etwa in Berlins Szeneviertel Kreuzberg sich Stück für Stück vom Ursprungskonzept lösen und es so in die Reiseführer schaffen: Mit „Street Food“und Kaffeebars sind sie für viele wieder ein Treffpunkt.