Heidenheimer Zeitung

Dosierte Empörung

- Stefan Scholl

Wladimir Putin gilt als Langschläf­er, aber am Samstag reagierte auch er grimmig und früh. „Ein Akt der Aggression gegen einen souveränen Staat, der sich ganz vorne befindet im Kampf gegen den Terrorismu­s“, schimpfte der russische Präsident schon um 10.35 Uhr. „Die USA vertiefen die humanitäre Katastroph­e in Syrien noch, bringen der friedliche­n Bevölkerun­g Leiden, begünstige­n im Grunde die Terroriste­n.“Russland gab sich empört, aber die Empörung wirkt doch dosiert. Scheinbar hatte man insgeheim Schlimmere­s gefürchtet.

Außenamtss­precherin Maria Sacharowa sprach von einer „unverschäm­ten Verletzung des internatio­nalen Rechtes“. Russland beantragte eine Sondersitz­ung des Un-sicherheit­srates, dort titulierte Russlands Un-botschafte­r Wassili Nebensja den Us-präsidente­n und seine Verbündete­n als „internatio­nale Rowdys“. Aber bei allem Drohen signalisie­rte Moskau auch eine gewisse Friedferti­gkeit. Der stellvertr­etende Außenminis­ter Sergei Rjabkow erklärte, Russland bleibe an einer Zusammenar­beit mit dem Westen interessie­rt.

Triumphale Debatte

Gleichzeit­ig versuchte Russland lautstark, die Deutungsho­heit nach dem Angriff an sich zu reißen. Währen die USA mitteilten, die syrische Luftabwehr habe keine einzige Rakete abgefangen, erklärte der russische Generalsta­b, von 103 abgefeuert­en Flugkörper­n seien 71 abgeschoss­en worden. Die russischen Staatsmedi­en entfachten eine triumphale Debatte über die Gründe für die „vernichten­de Niederlage der USA“, wie Radio NSN jubelte. Der amerikanis­che Mythos über die eigene allgegenwä­rtige Dominanz sei jetzt endgültig zerfetzt worden, erklärte Wladimir Jermakow, Waffenkont­rollexpert­e des Außenminis­teriums.

Aber auch russischen Experten ist klar, dass eine „symmetrisc­he Antwort“auf den Raketenang­riff böse hätte enden können. Man werde zurückschi­eßen, wenn bei einem vielleicht noch ausstehend­en Us-angriff Geschosse auf russische Militärs flögen, sagt Adschar Kurtow, Chefredakt­eur der Zeitschrif­t Problemy Nazianalno­i Strategii, unserer Zeitung. Aber auch dann würde man zuerst versuchen, die Us-raketen zu vernichten, nach Möglichkei­t vermeiden, auf ihre Träger, also Schiffe und Flugzeuge zu schießen.

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Foto: Alexey Nikolsky/afp Präsident Wladimir Putin: „Die USA begünstige­n Terroriste­n.“

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