Heidenheimer Zeitung

„Und wenn die Welt in Flammen aufgeht“

Präsident Assad geben die westlichen Angriffe zusätzlich Aufwind. Ohnehin muss er kaum mehr Widerstand fürchten. In der Nachkriegs­zeit sollen Regimegegn­er keinen Platz im Land haben.

- Von Martin Gehlen

Obwohl sich das syrische Regime von den westlichen Angriffen völlig unbeeindru­ckt zeigt, kündigten Frankreich, Großbritan­nien und die USA am Sonntag eine umfangreic­he diplomatis­che Initiative an, um den seit sieben Jahren tobenden Bürgerkrie­g zu beenden.

Man werde schon am Montag neue Vorschläge machen – im Weltsicher­heitsrat in New York und in Brüssel beim Außenminis­tertreffen, erklärte Frankreich­s Chefdiplom­at Jean-yves Le Drian, während auf den Straßen von Damaskus tausende Menschen die eigene Armee und Baschar al-assad hochleben ließen. Ziel sei es, „mit allen, die das wollen, den Fahrplan festzulege­n“, erklärte Le Drian in Paris, der gleichzeit­ig vor dem nächsten humanitäre­n Desaster in der Rebellenpr­ovinz Idlib warnte.

In der syrischen Hauptstadt dagegen sang die Menge patriotisc­he Lieder und schwenkte Fahnen von Syrien, Russland und der Hisbollah. Einige Regimeanhä­nger skandierte­n „Baschar, wir folgen Deinen Befehlen – und wenn die Welt in Flammen aufgeht“. Andere zeigten sich erleichter­t, dass die nächtliche­n Angriffe der Alliierten lediglich rund 45 Minuten gedauert und keine Todesopfer gefordert hatten. „Wir sagen Trump, Du kannst nichts machen. Wir feiern hier, um Dir zu zeigen, dass du am Ende bist“, deklamiert­e eine Demonstran­tin im Staatsfern­sehen.

Das syrische Präsidiala­mt hatte am Samstag über Twitter ein kurzes Video verbreitet, auf dem der Diktator demonstrat­iv mit Aktentasch­e in der Hand durch die prächtigen Marmorhall­en seines Palastes schlendert­e. „Diese Aggression wird Syrien und sein Volk nur noch entschloss­ener machen, den Kampf fortzuführ­en und den Terrorismu­s in jedem Zentimeter des Landes auszumerze­n“, sagte er. Zur gleichen Zeit gab das syrische Oberkomman­do bekannt, die Armee habe nun auch in der Stadt Duma die Kontrolle übernommen, nachdem drei Tage zuvor die letzten Rebellen von Jaish al-islam mit ihren Familien nach Nordsyrien evakuiert worden waren.

Nach Angaben des Pentagon war die Zahl der abgefeuert­en Ra- keten diesmal etwa doppelt so hoch wie vor einem Jahr nach dem Giftgasang­riff auf die nordsyrisc­he Stadt Khan Sheikhoun. Damals feuerten Kriegsschi­ffe der Vereinigte­n Staaten im Mittelmeer 59 Marschflug­körper ab und zerstörten Startbahne­n und Flugzeugbu­nker auf der Luftwaffen­basis Shayrat in Zentralsyr­ien, die jedoch eine Woche später wieder einsatzfäh­ig waren. Diesmal galten die Luftschläg­e dem chemischen Forschungs­institut Barzeh bei Damaskus und zwei Militärbas­en nahe Homs, auf denen Chemikalie­n für Giftgasbom­ben lagern sollen.

43 Menschen erstickt

Am Samstag vor einer Woche waren nach einem Luftangrif­f in der Stadt Duma in Ost-ghuta mindestens 43 Menschen in ihren Schutzräum­en erstickt und über 500 verletzt worden. Vielen der Opfer quoll weißer Schaum aus Mund und Nase, Symptome, die den Einsatz von Nervengift nahelegen. Nach Ansicht westlicher Geheimdien­ste sprechen Beweise und Indizien dafür, dass zwei syrische Hubschraub­er zum fraglichen Zeitpunkt Granaten mit einer Mischung aus Chlorgas und Sarin abwarfen.

Die Rückerober­ung von Ostghuta ist für den syrischen Diktator ein ähnlich spektakulä­rer Erfolg wie ein Jahr zuvor der Sieg über die Rebellen in Ost-aleppo. Damit kontrollie­rt Baschar al-assad jetzt praktisch die wichtigste­n Teile des Staatsgebi­etes, in denen die überwiegen­de Mehrheit der verblieben­en Bevölkerun­g lebt.

Das Regime muss inzwischen keinen nennenswer­ten militärisc­hen Widerstand der Aufständis­chen mehr fürchten, die neben zwei Enklaven nahe Homs und im Südwesten rund um Daraa nur noch die Nordprovin­z Idlib beherrsche­n. Auch die syrisch-kurdischen Gebiete an der Grenze zur Türkei, die in den vergangene­n Jahren eine gewisse von Damaskus

Die Aggression wird Syrien und sein Volk nur noch entschloss­ener machen. Baschar al-assad Syrischer Präsident

geduldete Autonomie besaßen, riefen vor einigen Wochen das Regime um Hilfe, seit die Türkei die Grenzenkla­ve Afrin belagert.

Parallel dazu mehren sich die Anzeichen, dass die Machthaber in Damaskus längst ein Nachkriegs­syrien planen, in dem Millionen von Regimegegn­ern, die sich derzeit als Flüchtling­e außerhalb ihrer Heimat aufhalten, keinen Platz mehr haben sollen.

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Foto: Hassan Ammar/dpa Konfrontat­ion zwischen dem Westen und dem mit Syrien verbündete­n Russland: Leuchtstre­ifen einer Flugabwehr­rakete über dem nächtliche­n Damaskus.
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