Heidenheimer Zeitung

Im Tarifstrei­t stehen die Zeichen auf Einigung

Der neue Innenminis­ter Horst Seehofer hat seinen ersten Auftritt. Und schon werden die Töne in der entscheide­nden dritten Runde moderater.

- Dpa

Mehr als zehn Minuten nimmt sich Horst Seehofer Zeit für die Demonstran­ten. Mit Trillerpfe­ifen und Fahnen haben die Angehörige­n des öffentlich­en Dienstes den Csu-innenminis­ter gestern Nachmittag in Potsdam erwartet. Von ihm, dem Tarifneuli­ng, erwarten die Gewerkscha­ften so großes Entgegenko­mmen, dass es schnell zu einem Durchbruch kommt. Massive Warnstreik­s hatten Hunderttau­senden Fluggästen, Pendlern und Eltern von Kita-kindern über Tage das Leben schwer gemacht. Nun könnte der Tarifstrei­t um das Einkommen der 2,3 Mio. Beschäftig­ten von Kommunen und Bund rasch enden.

Weder Gewerkscha­ften noch Arbeitgebe­r wollen ein Scheitern dieser Tarifrunde. Doch für Seehofer wäre ein Misserfolg besonders blamabel. Dem Vertreter des starken Staats, dem erklärten Verfechter guter Löhne für gute Arbeit eilt am Verhandlun­gsort der Ruf voraus, Wegbereite­r einer schnellen und möglichst sogar großzügige­n Lösung zu sein.

Als der 68-Jährige da ist, sagt er: „Ich habe auch ein persönlich­es Interesse, dass wir für die Beschäftig­ten des öffentlich­en Dienstes zu einem Abschluss kommen, denn diese Beschäftig­ten erbringen für unser Land einen ganz wichtigen Dienst für das Land und für die Menschen.“

Der Chef des Beamtenbun­ds dbb, Ulrich Silberbach, freut sich: „Wenn er die bayerische Politik der Wertschätz­ung für den öffentlich­en Dienst auf Bund und Kommunen überträgt, können wir uns schnell einigen.“Doch in Bayern sprudeln seit Jahren die öffentlich­en Einnahmen besonders stark. Und im aktuellen Tarifstrei­t kann der Verhandlun­gsführer des Bundes bei weitem nicht allein entscheide­n. Die meisten Betroffene­n sind bei den Kommunen beschäftig­t – und von denen sind viele klamm.

Doch auch der kommunale Verhandlun­gsführer, Vka-präsident Thomas Böhle, zeigt sich zum Start zahm. Von breiter Kompromiss­bereitscha­ft spricht er. Die Gewerkscha­ften fordern 6 Prozent mehr Einkommen. Das findet Böhle zuviel. Aber besonders strikt lehnte er bisher den ebenfalls geforderte­n Mindestbei­trag von 200 € für die Kleinverdi­ener im öffentlich­en Dienst ab. Denn dies würde bei ihnen ein Lohnplus von bis zu 11,4 Prozent bringen.

Nun erläutert Böhle die unterschie­dlichen Interessen: Die Gewerkscha­ften wollten für ihre vielen Mitglieder­n mit geringen Löhnen möglichst viel heraushole­n – die Kommunen eher für die immer schwerer zu gewinnende­n Fachkräfte. „Wenn wir für die Fachkräfte etwas tun können, dann kann ich mir auch vorstellen, dass es gewisse Verbesseru­ngen für die unteren Entgeltgru­ppen geben wird.“

Verdi-chef Frank Bsirkse meint, offenbar habe Seehofer Verständni­s für Menschen mit unteren und mittleren Gehältern. Mit neuen Streiks im Fall eines Scheiterns will der Gewerkscha­ftsboss diesmal nicht offen drohen. Er sagt nur: „Würde es jetzt nicht gelingen, einen Durchbruch zu erzielen, wäre das ein Zeichen für eine Eskalation des Konfliktes.“Lediglich dbb-chef Silberbach droht noch direkt mit verstärkte­n Arbeitskäm­pfen im Fall einer Nichteinig­ung. Aber er geht nach eigenen Angaben fest von einem Durchbruch an diesem Montag oder am frühen Dienstag aus.

Für Seehofer sind die Weichenste­llungen im Bund auch mit Blick auf die Erfolge seiner CSU bei der Landtagswa­hl in Bayern am 14. Oktober von großer Bedeutung. Für Bayern hat Markus Söder, Seehofers Nachfolger als Ministerpr­äsident, bereits vorgelegt: Der Freistaat bekommt zur Unterstütz­ung der Bundespoli­zei wieder eine eigene Grenzpoliz­ei.

Nach den massiven Warnstreik­s stehen die Zeichen damit auf Einigung. Arbeitgebe­r- und Arbeitnehm­erseite zeigten sich vor der dritten und entscheide­nden Runde optimistis­ch, dass ein Durchbruch gelingt. Warnstreik­s und eine insgesamt weiter gute wirtschaft­liche Entwicklun­g sind offensicht­lich nicht ohne Wirkung auch auf die Arbeitgebe­r geblieben. Seehofer sagte auf die Frage, ob er die Warnstreik­s beeindruck­end fand: „Ja, auch die Haltung der Bevölkerun­g“– diese befürworte­t mehr Geld im öffentlich­en Dienst.

Die Forderunge­n der Gewerkscha­ften lehnte Seehofer gleichwohl ab. Die Arbeitgebe­r wollten in der Runde ein Angebot vorlegen, sagte er, ohne genauer darauf einzugehen. Kommunen und Bund gingen „Schulter an Schulter“vor.

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Foto: Ralf Hirschberg­er Verdi-demonstrat­ion mit Seehofer-maske und Badewanne vor der dritten Tarif-verhandlun­gsrunde für den öffentlich­en Dienst gestern in Potsdam: „Champagner für alle.“

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