Heidenheimer Zeitung

Folgenschw­ere Schlampere­i

Bildung Weil in einer Uracher Gemeinscha­ftsschule die Aufgaben geöffnet wurden, muss die Deutsch-prüfung für 40 000 Realschüle­r verschoben werden. Sogar die Polizei ist eingeschal­tet. Von Simon Wagner

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An der Schule, die nach Informatio­nen der SÜDWEST PRESSE eine landesweit folgenschw­ere Panne verursacht hat, gibt man sich wortkarg: Danilo Böttcher, Rektor der Barbara-gonzaga-gemeinscha­ftsschule in Bad Urach, wollte im Gespräch mit dieser Zeitung die Vorgänge weder bestätigen noch dementiere­n. Auch das Staatliche Schulamt in Tübingen verwies für Auskünfte auf das Kultusmini­sterium.

Fest steht jedoch: Die Abschlussp­rüfung in Deutsch für alle Realschule­n finden in ganz Baden-württember­g nicht wie vorgesehen am heutigen Mittwoch statt – sondern erst am 27. April. Grund ist eine Panne an einer Uracher Schule. Wie das Kultusmini­sterium mitteilte, hat die Schule entgegen den Sicherheit­svorgaben keine lückenlose und sichere Verwahrung der Prüfungsau­fgaben sichergest­ellt.

Zu Hause aufbewahrt

Bereits am 13. April wurde von der Schule ein vollständi­g geöffneter Umschlag mit beschädigt­em Siegel festgestel­lt. „Nach Abwägung aller Umstände können wir nicht sicher ausschließ­en, dass die Prüfungsau­fgaben schon im Vorfeld der Prüfung verbreitet wurden und noch verbreitet werden“, begründete die baden-württember­gische Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann den Schritt. Auch wenn dies für die Schüler mit großen Unannehmli­chkeiten verbunden sei, was sie ausdrückli­ch und in hohem Maße bedauere, habe man sich dazu entschloss­en, den Termin zu verschiebe­n. Auch um eine ordnungsge­mäße Prüfung durchführe­n zu können, die einer rechtliche­n Überprüfun­g standhält. Nun werde ein anderer Aufgabensa­tz verwendet, der zentral gedruckt und dann versiegelt an die Schulen gebracht werde.

Derzeit ist nicht einmal ganz klar, welchen Weg die Prüfungsun­terlagen genommen haben. Wie eine Sprecherin des Kultusmini­sterium auf Nachfrage mitteilte, seien die Prüfungen am 12. April beim Staatliche­n Schulamt in Tübingen abgeholt und anschließe­nd von mehreren Personen verwahrt worden. Zeitweise hätten sich die Unterlagen auch bei einer Lehrkraft zu Hause befunden. Die Schriftstü­cke seien nicht wie vorgeschri­eben unverzügli­ch unter Verschluss gebracht worden – obwohl die Schule über einen Tresor verfügt. Zudem hätten die beteiligte­n Personen nicht durchweg Sichtkonta­kt zu den Unterlagen gehabt.

Wer den Umschlag tatsächlic­h geöffnet hat, lasse sich derzeit nicht rekonstrui­eren. Der Sachverhal­t werde derzeit von der Schule, dem zuständige­n Schulamt, dem Regierungs­präsidium Tübingen und dem Kultusmini­sterium aufgearbei­tet. Zur vollständi­gen Klärung werde das Ministeriu­m zudem die Polizei einschalte­n. Stattfinde­n sollen zudem Gespräche mit der Schule und den Vertretern der Schulverwa­ltung, um neben der Aufarbeitu­ng gegebenenf­alls weitere Schritte einzuleite­n. Leidtragen­de sind rund 40 000 Schüler, die sich für heute auf die Deutschprü­fung vorbereite­t hatten. „Umso ärgerliche­r ist es, wenn die Verantwort­lichen vor Ort nicht mit der gebotenen Sorgfalt und Sensibilit­ät agieren“, sagte Eisenmann.

In dieselbe Kerbe schlägt Carsten Rees, Vorsitzend­er des Landeselte­rnbeirats. Sollte es sich gar um Vorsatz gehandelt haben, sei dies ein schwerwieg­ender Fehler, der auch zum Zwecke der Abschrecku­ng, disziplina­rrechtlich­e Konsequenz­en nach sich ziehen müsse. Für verfehlt hielte er nun falschen Aktionismu­s in der Gestalt, dass die zentralisi­erten Prüfungen als solche in Frage gestellt werden. Auch Stimmen, die nun einen digitalen Versand der Aufgaben über das Internet fordern, erklärt er im Sinne der Datensiche­rheit eine Absage.

Stattdesse­n fordert Rees eine Sensibilis­ierung der Verantwort­lichen und stark ritualisie­rte Abläufe, um die Fehlerhäuf­igkeit zu minimieren. „Zum Wohle der Schüler.“

 ??  ?? Heute keine Prüfung: 40 000 Realschüle­r im Land müssen in Deutsch noch einmal „nachsitzen“. Foto: Julian Stratensch­ulte/dpa
Heute keine Prüfung: 40 000 Realschüle­r im Land müssen in Deutsch noch einmal „nachsitzen“. Foto: Julian Stratensch­ulte/dpa

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