Heidenheimer Zeitung

Entschädig­ung bei wilden Streiks

Flugreisen Der Europäisch­e Gerichtsho­f stellt sich auf die Seite der Verbrauche­r: Tuifly muss Passagiere­n, die 2016 wegen der gehäuften Krankmeldu­ngen von Piloten auf ihren Flieger warten mussten, einen Ausgleich bezahlen.

-

Flugpassag­iere können gemäß eines Urteils des Europäisch­en Gerichtsho­fs (EUGH) auch bei Behinderun­gen durch wilde Streiks auf Entschädig­ungen hoffen. Wenn es wegen tarifrecht­lich unerlaubte­r Arbeitsnie­derlegunge­n zu Flugausfäl­len oder gravierend­en Verspätung­en komme, seien Airlines nicht automatisc­h von ihrer Entschädig­ungspflich­t befreit, urteilten die Luxemburge­r Richter am Dienstag. Vielmehr müsse von Fall zu Fall entschiede­n werden. Das Urteil könnte für Deutschlan­d erhebliche Auswirkung­en haben.

Hintergrun­d des Eugh-verfahrens ist der wilde Streik von Tuifly-mitarbeite­rn im Herbst 2016, nachdem zuvor Umstruktur­ierungen im Konzern angekündig­t worden waren. Es kam daraufhin zu massenhaft­en Krankmeldu­ngen. Die Quote krankheits­bedingter Abwesenhei­ten, die normalerwe­ise bei etwa zehn Prozent lag, stieg auf bis zu 89 Prozent bei den Piloten und auf bis zu 62 Prozent beim Kabinenper­sonal. Tuifly musste deswegen den Betrieb Anfang Oktober vorübergeh­end fast komplett einstellen. Mehr als 100 Flüge

Der Konflikt gehörte zur Firmentäti­gkeit von Tuifly und war für die Airline beherrschb­ar.

Urteilsbeg­ründung des Europäisch­en Gerichtsho­fs

wurden gestrichen, Tausende Reisende saßen fest. Am Abend des 7. Oktober 2016 teilte dann das Management von Tuifly der Belegschaf­t mit, dass eine Einigung mit dem Betriebsra­t erzielt worden sei.

Betroffene Fluggäste klagen seitdem vor deutschen Gerichten auf Ausgleichs­zahlungen. Ihre Chancen dürften sich nun deutlich verbessert haben.

Die Eugh-richter begründete­n das Urteil damit, dass Fluglinien nur unter „außergewöh­nlichen Umständen“von der gesetzlich vorgesehen­en Erstattung­spflicht befreit werden könnten. Dafür seinen zwei Voraussetz­ungen nötig: Zum einen dürfe das Ereignis, das zu den Behinderun­gen führte, nicht Teil der normalen Betriebstä­tigkeit sein. Zum anderen dürfe es von der Airline nicht beherrschb­ar sein.

Mit Blick auf die Ereignisse bei Tuifly im Jahr 2016 sei dies nicht der Fall, befanden die Richter. Das Unternehme­n habe überrasche­nd Umstruktur­ierungen angekündig­t, was zur normalen Firmentäti­gkeit gehöre. Konflikte mit den Mitarbeite­rn seien dabei nicht ungewöhnli­ch. Die Situation im Herbst 2016 sei daher nicht als „außergewöh­nlicher Umstand“zu werten.

Außerdem sei der wilde Streik für die Fluggesell­schaft aus Langenhage­n nicht unbeherrsc­hbar gewesen, der dann ja auch mit einer Einigung wenige Tage später endete.

Tuifly reagierte gestern enttäuscht auf das Urteil. „Wir respektier­en die Auffassung des Gerichtes“, sagte ein Tuifly-sprecher. „Dennoch bleiben wir bei unserer Auffassung, dass man sich auf solche wilden Streiks nicht ausreichen­d vorbereite­n kann.“Mit Blick auf die ausstehend­en Verfahren in Deutschlan­d sagte er: „Wir werden in jedem Einzelfall jetzt darlegen, welche Vorbereitu­ngen wir getroffen haben.“

 ??  ?? Wartende Passagiere: Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat die Rechte der Verbrauche­r bei wilden Streiks gestärkt. Foto: Daniel Reinhardt/dpa
Wartende Passagiere: Der Europäisch­e Gerichtsho­f hat die Rechte der Verbrauche­r bei wilden Streiks gestärkt. Foto: Daniel Reinhardt/dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany