Hörnle und Historie
Berta von Boll hat im 12. Jahrhundert in Bad Boll Bemerkenswertes geleistet. Grund genug, einmal auf den Spuren der wohltätigen Gräfin zu wandeln – in einer vielseitigen Landschaft mit schönen Aussichten.
Wenn hierzulande am 3. Oktober der Tag der Deutschen Einheit gefeiert wird, dann läuft das in einem 5100 Einwohner zählenden Ort am Fuße der Schwäbischen Alb etwas anders. In Bad Boll wird nämlich an diesem Tag, Berta-tag genannt, eine Gräfin aus dem 12. Jahrhundert besonders gewürdigt: Berta von Boll.
Weil die Tante von Kaiser Friedrich I. Barbarossa und Schwester von Staufer-könig Konrad III. das sogenannte Berta-mahl gestiftet haben soll, eine jährliche Mehl- und Brotgabe von rund 20 Kilo für jede Boller Familie, war sie im Dorf bis ins 16. Jahrhundert sogar als Heilige verehrt worden. Im alten Boller Seelbuch von 1560 steht über ihr Almosen geschrieben: „Acht Scheffel Dinkel, welche auch alsbald gemahlen, gebacken und unter Arme und Reiche von Boll ausgetheilt worden seyn.“
Witwensitz auf der Bertaburg
Das Leben dieser besonderen Frau begleitet unsere Rundwanderung – auf einem von neun „Löwenpfaden“im Landkreis Göppingen. Nicht zufällig nennt sich die Runde „Berta-hörnle-tour“. Denn sie berührt nicht nur die aussichtsreiche Unterstandshütte auf dem Hörnle, sondern sie führt auch zu jenem Ort, an dem Berta ihren Witwensitz gehabt haben soll: die Bertaburg (andere Namen: Burg Landseer oder Landsöhr) auf dem schmalen, 739 m hohen, nördlichen Sporn des Kornbergs.
Nach dem Tod ihrer beiden Ehemänner, Adalbert von Stubersheim-ravenstein (gestorben 1121), mit dem sie in 19 Jahren 12 Kinder hatte, und Graf Heinrich von Berg (gestorben 1138), soll sie hier oben gelebt haben. Bedeutsam ist sie auch als Gründerin einer Propstei in Boll, die sie dem Bistum Konstanz vermacht haben soll.
Interessante Historie – tolle Landschaft: Das macht unsere Wanderung attraktiv. Die Vielfalt der Formen, dazu die Aussichten vom Trauf beeindruckend, der Reichtum der Natur gerade im April mit Anemonen, Schlüsselblumen, Veilchen, Seidelbast und Bärlauch im geradezu explodierenden Frühlingswald bezaubert. Außerdem lockt nach genau der Hälfte der Strecke die am Wochenende bewirtschaftete Kornberghütte (760 m).
Zwar ist die Wegführung etwas verwickelt, Beschilderung und Markierung mit dem Löwenkopf sind aber durchgehend so zuverlässig, dass man mit wachen Augen kaum fehlgehen kann. Ein Glück auch: Asphalt (bis auf die ersten Meter) Fehlanzeige! Die 350 Höhenmeter zum zweieinhalb Stunden entfernten Hochplateau des Kornbergs (776 m) sind ohne große Mühe zu schaffen, immer wieder sind erholsame, ebene Strecken eingestreut.
Auf dem Pappelweg geht es gleich nach 200 m halbrechts in den Wald. Der Auftakt über den „Sinneswandel“, einen Naturpfad, durch ein gewundenes Tälchen mit stattlichen Eichen ist äußerst kurzweilig. Hinter dem Schützenhaus stehen wir unvermittelt am Tempele mit einem ersten Blick auf die drei Kaiserberge Hohenstaufen, Rechberg und Stuifen und hinunter zum Kurhaus. Für 807 Gulden errichtete der Baumeister Gottlob Georg Barth 1824 im Auftrag des württembergischen Königs Wilhelm diesen Ausguck, der den Gästen des königlichen Thermalbades in Boll zur Erbauung dienen sollte.
Hinter dem Hörnle wenden wir uns nach links, überqueren die Straße nach Gruibingen und folgen dem breiten Schotterweg im Riesbachtal. Ein etwas eintöniger Abschnitt, überdies ist das Rauschen der Autobahn am Albaufstieg hier deutlich vernehmbar. Hübsch ist hingegen bald danach das Wiesengelände nördlich des Kornbergs, zu dessen Kuppe (776 m) wir von dort in wenigen Minuten hinaufsteigen. Auf der großen Wiese mit Bänken und Feuerstelle oberhalb der Kornberghütte lässt es sich wunderbar rasten.
Auf der Ostflanke des Kornbergs steigen wir Richtung Bertaburg und Boller Heide ab. Hier beginnt der schönste Teil der gesamten Tour: erst eine Wacholderheide, dann das genussreiche Dahinschlendern entlang des Traufs mit Blick auf Dürnau. Schließlich eine Hütte mit Tafel: Spannung beim Eintritt in den einstigen Wirkungskreis der Berta von Boll. Nach fast 900 Jahren sind von der geheimnisvollen Bertaburg allerdings heute nur noch drei bis zu 6 m tiefe Wehrgräben auf dem schmalen Höhenrücken übrig – wohl die Abgrenzung der früheren Burganlage. Dafür ist der Blick von dieser Aussichtskanzel bis Göppingen prächtig.
Herrlich schlängelt sich von hier der Pfad auf dem Grätchen Richtung Tal – ein Alb-schmankerl! Unten nach rechts zur Höhenwiese Boller Heide, einem Ausflugsziel mit Hüttchen, Bänken und Feuerstelle. Wir bleiben dem Berta-hörnle-weg treu. Die um 1820 gepflanzte Silberpappel – das örtliche Wahrzeichen ist 18 m hoch, der mächtige Stamm hat einen Umfang von 6 m – an der Straße nach Gruibingen lässt noch einmal staunen. In leichtem Auf und Ab geht es nun bis zu einer Holzbrücke, direkt dahinter scharf links und runter ins Tälchen des Badbächles. Dort ist es nass und schlammig – Bergstiefel vonnöten beim rutschigen Finale!