Gaming statt Schule
Die Nutzung von Computerspielen und Internetmedien durch Kinder und Jugendliche stieg im Corona-lockdown stark an.
Die Computer- und Internetnutzung von fast 700 000 Jungen und Mädchen im Alter von 10 bis 17 Jahren ist riskant oder bereits zur krankhaften Sucht geworden. Zu diesem Ergebnis kommt eine von der Krankenkasse Dak-gesundheit in Auftrag gegebene Studie. In einer ersten Untersuchungsphase wurden auch die Folgen der Maßnahmen gegen Corona untersucht. Das Ergebnis: Die Computer-spielzeit nahm werktags um 75 Prozent zu, die in den sozialen Netzwerken verbrachte Zeit um 66 Prozent.
An Werktagen saßen die Kinder und Jugendlichen im Durchschnitt 139 Minuten und an Wochenendtagen 193 Minuten an Computerspielen. Dazu kamen ausgedehnte Social-media-nutzungen. Andreas Storm, Vorstandschef der Dak-gesundheit, nannte die Ergebnisse „alarmierend“. Storm sieht Corona als zusätzliche Gefahr: „Es gibt erste Warnsignale, dass sich die Computerspielsucht durch die Pandemie ausweiten könnte.“
Ob die Mediensucht durch Schulschließungen und eingeschränkte Freizeitaktivitäten tatsächlich wächst, soll die Längsschnittstudie im Frühjahr 2021 aufdecken. Im September 2019 zeigten 10 Prozent der 10- bis 17-Jährigen ein riskantes Spielverhalten. Pathologisches Gaming wurde bei 2,7 Prozent festgestellt, wobei die Zahl der betroffenen Jungen mehr als doppelt so hoch ist wie bei Mädchen. 50 Prozent der Eltern geben an, weder vor noch während der Corona-krise das Spiel- und Onlineverhalten ihrer Kinder zu kontrollieren.
„Absolute Ausnahmesituation“
Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU) brach eine Lanze für die Mütter und Väter: „Corona ist nun einmal eine absolute Ausnahmesituation.“Im Übrigen hätten vor allem die Social-media-angebote dem Nachwuchs geholfen, mit Gleichaltrigen Kontakt zu halten. „Digitale Medien sind für uns selbstverständlich und hilfreich im Alltag. Doch Smartphones, Tablets und Co. stellen uns auch vor Herausforderungen“, sagte die Drogenbeauftragte. Ein gesunder Umgang damit sei erlernbar. „Man wirft ja auch nicht sein Kind ins Wasser, bevor es Schwimmen gelernt hat“. Gemeinsam mit der Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) präsentierte Ludwig eine Aufklärungskampagne für den bewussten Umgang mit digitalen Medien.
Dak-vorstandschef Andreas Storm verlangte ein „Frühwarnsystem“. Es dürfe „nicht länger Zufall sein, Risiko-gamer zu erkennen und ihnen Hilfsangebote zu machen. Deswegen biete die Krankenkasse „ein neues Mediensuchtscreening an“. Außerdem habe die DAK zusammen mit der Mediensuchthilfe Hamburg eine neue Online-anlaufstelle entwickelt. Ab August 2020 gibt es unter www.computersuchthilfe.info Informationen und Hilfestellungen für Betroffenen und Angehörige.