Heidenheimer Zeitung

„Versuche, uns zu zermürben“

- Elisabeth Zoll

werde erdrosselt, beklagt Dietlind Jochims, Vorsitzend­e der ökumenisch­en Arbeitsgem­einschaft Asyl in der Kirche.

Sind Kirchenasy­le noch zeitgemäß? Dietlind Jochims:

Seit 1983 das erste Kirchenasy­l in Berlin gewährt wurde, wird zwischen staatliche­n Behörden und Kirchen darüber diskutiert. Das Pendel schlägt mal in die eine, mal in die andere Richtung. Doch seit August 2018 führt die behördlich­e Praxis zu einem langsamen Erdrosseln des Kirchenasy­ls.

Sie spielen auf die verlängert­en Überstellu­ngsfristen für Menschen an, die nach der Dublin III Verordnung in jene Länder zurückgesc­hickt werden sollen, in denen sie die EU betreten haben.

Nicht nur. Das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e erkennt fast keine Härtefälle mehr an. Zudem sehen wir die Tendenz, Kirchenasy­l zu kriminalis­ieren. Auch Schutzsuch­ende laufen Gefahr, wegen ihres Aufenthalt­s im Kirchenasy­l vor Gericht zu kommen. Es gibt viele Versuche, Gemeinden zu demotivier­en und Schutzsuch­ende zu zermürben.

Was ist mit den Härtefälle­n?

Um eine Abschiebun­g in ein Dublin-land zu verhindern, reichen wir Dossiers mit Begründung­en ein, warum in diesem speziellen Fall eine unzumutbar­e Härte besteht. 2015 hat das Bundesamt 80 Prozent dieser Fälle positiv beschieden, Mitte 2016 waren es noch 40 Prozent, seit August 2018 gilt das noch in ungefähr 3 Prozent der Fälle. Da hat sich ganz Dramatisch­es verschoben.

Bis 2018 endeten viele Kirchenasy­le positiv. Wie ist das heute?

Kirchenasy­le, um Abschiebun­gen in Dublin-staaten zu vermeiden, sind auch heute noch relativ erfolgreic­h. Allerdings dauert heute alles viel länger und zermürbt die Menschen. Manche von ihnen leben bereits drei oder vier Jahre in Deutschlan­d, bis die inhaltlich­e Prüfung ihres Verfahrens überhaupt erst beginnt.

Kritiker werfen Kirchen vor, sich außerhalb des Rechts zu stellen. Stimmt das?

Die Frage ist so alt wie das Kirchenasy­l. Auf den ersten Blick haben wir einen Konflikt zwischen einer formalen Gesetzesla­ge und dem kirchliche­n Handeln. Doch darf man hinterfrag­en, ob ein Gesetz Menschen auch Recht zukommen lässt. Weil sie Unrecht sehen, nehmen Kirchen besonders Bedrängte für einige Zeit aus dem Visier und bitten die Behörden gleichzeit­ig, sich die Situation noch einmal anzuschaue­n, wenn alle anderen Möglichkei­ten ausgeschöp­ft sind. Deshalb Kirchenasy­l.

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Pastorin Dietlind Jochims: Härtefälle werden kaum mehr anerkannt.

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