„Versuche, uns zu zermürben“
werde erdrosselt, beklagt Dietlind Jochims, Vorsitzende der ökumenischen Arbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche.
Sind Kirchenasyle noch zeitgemäß? Dietlind Jochims:
Seit 1983 das erste Kirchenasyl in Berlin gewährt wurde, wird zwischen staatlichen Behörden und Kirchen darüber diskutiert. Das Pendel schlägt mal in die eine, mal in die andere Richtung. Doch seit August 2018 führt die behördliche Praxis zu einem langsamen Erdrosseln des Kirchenasyls.
Sie spielen auf die verlängerten Überstellungsfristen für Menschen an, die nach der Dublin III Verordnung in jene Länder zurückgeschickt werden sollen, in denen sie die EU betreten haben.
Nicht nur. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erkennt fast keine Härtefälle mehr an. Zudem sehen wir die Tendenz, Kirchenasyl zu kriminalisieren. Auch Schutzsuchende laufen Gefahr, wegen ihres Aufenthalts im Kirchenasyl vor Gericht zu kommen. Es gibt viele Versuche, Gemeinden zu demotivieren und Schutzsuchende zu zermürben.
Was ist mit den Härtefällen?
Um eine Abschiebung in ein Dublin-land zu verhindern, reichen wir Dossiers mit Begründungen ein, warum in diesem speziellen Fall eine unzumutbare Härte besteht. 2015 hat das Bundesamt 80 Prozent dieser Fälle positiv beschieden, Mitte 2016 waren es noch 40 Prozent, seit August 2018 gilt das noch in ungefähr 3 Prozent der Fälle. Da hat sich ganz Dramatisches verschoben.
Bis 2018 endeten viele Kirchenasyle positiv. Wie ist das heute?
Kirchenasyle, um Abschiebungen in Dublin-staaten zu vermeiden, sind auch heute noch relativ erfolgreich. Allerdings dauert heute alles viel länger und zermürbt die Menschen. Manche von ihnen leben bereits drei oder vier Jahre in Deutschland, bis die inhaltliche Prüfung ihres Verfahrens überhaupt erst beginnt.
Kritiker werfen Kirchen vor, sich außerhalb des Rechts zu stellen. Stimmt das?
Die Frage ist so alt wie das Kirchenasyl. Auf den ersten Blick haben wir einen Konflikt zwischen einer formalen Gesetzeslage und dem kirchlichen Handeln. Doch darf man hinterfragen, ob ein Gesetz Menschen auch Recht zukommen lässt. Weil sie Unrecht sehen, nehmen Kirchen besonders Bedrängte für einige Zeit aus dem Visier und bitten die Behörden gleichzeitig, sich die Situation noch einmal anzuschauen, wenn alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Deshalb Kirchenasyl.