Heidenheimer Zeitung

Zurück in die Eiszeit

Ausflugszi­ele, die auch in den Ferien nicht überlaufen sind. Unser erster „Geheimtipp“: Bei Engen im Hegau führen der Petersfels und eine „Venus“die Besucher 15 000 Jahre in die Vergangenh­eit.

- Von Petra Walheim

Menschen mit Fantasie hören das Getrampel der Rentier-herden, die durchs Brudertal bei Engen (Kreis Konstanz) donnern. Manche Besucher, die im 2003 angelegten Eiszeitpar­k an den Tafeln stehen, haben das Bild vor Augen, wie die Rentiere jeden Herbst im Tal, das auf beiden Seiten von Kalkfelsen begrenzt ist, von eiszeitlic­hen Jägern erwartet werden. Diese standen beim heutigen Petersfels und bei der Gnirshöhle mit ihren Speeren und stürzten sich auf die Fleischber­ge. Sie mussten möglichst viele

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FERIENTIPP­S IM SÜDWESTEN

erlegen, um den Winter überleben zu können.

Das Szenario hat sich vor 15 000 Jahren abgespielt. Mit den Informatio­nen im Eiszeitpar­k kann das Leben der steinzeitl­ichen Menschen in den Köpfen heute wieder lebendig werden. Das Tal und die Höhlen bilden die authentisc­he Kulisse.

Wer sich ihr langsam nähern möchte, wählt vom Parkplatz schräg unterhalb der Autobahnbr­ücke den Weg nach links. Der wird aber so schmal, dass er mit Kinderwage­n nur mühsam begangen werden kann. Der komfortabl­ere und breitere Weg führt über freies Feld, dann durch ein

Leiter Museum und Kulturamt Engen

Wäldchen hin zum Eiszeitpar­k.

Den darf man sich nicht als Freizeitpa­rk mit elektronis­chem Schnicksch­nack vorstellen. Er besteht unter anderem aus dem Petersfels, der „Venus von Engen“, einem kleinen Moor und einem Pavillon mit Schau- und Informatio­nstafeln. Das Ganze ist eingebette­t in eine Landschaft, die nicht so recht in die heutige Zeit passen will – bis auf das Maisfeld vor dem Petersfels. Dafür ist der Landwirt verantwort­lich, dem die Fläche gehört.

„Das hier ist ein archäo-botanische­r Garten“, sagt Dr. Velten Wagner, der Leiter des Museums und des Kulturamts in Engen. „Es ist der Versuch, die eiszeitlic­he Vegetation hier anzusiedel­n und alles, was nicht dazu gehört, auszumerze­n.“Dafür wurden der Wald am Hang beim Petersfels gerodet und die Fläche so gestaltet, wie es der damaligen Steppentun­dra entspricht.

Die Temperatur­en lagen zu der Zeit 6 bis 7 Grad niedriger als heute. „Aus mehreren Bodenprobe­n

konnte die Flora der Eiszeit rekonstrui­ert werden“, sagt Wagner.

Am Pavillon wurde zudem ein kleines Moor angelegt, ebenfalls mit Pflanzen, die vor 15 000 Jahren in dem Tal gewachsen sind. Das Moor muss im Sommer regelmäßig bewässert werden, sagt Wagner, sonst gehen die Pflanzen durch die Trockenhei­t ein.

Neben dem Moor, unterhalb des Petersfels­ens, ist eine freie Fläche. „Hier hatten die Steinzeitm­enschen ihre Zelte aufgestell­t“, sagt Wagner. Nur bei extrem schlechtem Wetter und Kälte hätten sie sich in die Höhlen zurück gezogen. Trotzdem förderte der pensionier­te Oberpostra­t Eduard Peters bei Ausgrabung­en, die Ende der 1920er Jahre begannen,

Der Eiszeitpar­k Engen liegt unterhalb der A-81-brücke, die das Brudertal überspannt. Von der Abfahrt Engen leiten Schilder zum Park. Der ist das ganze Jahr kostenlos zugänglich. Die Petersfels-tage, alle zwei Jahre im September, fallen wegen Corona aus. im und vor dem später nach ihm benannten Petersfels und drumherum 1,5 Tonnen Knochen von eiszeitlic­hen Tieren, 50 000 Feuerstein-artefakte und 1000 Knochenund Geweih-werkzeuge zutage, darunter 2000 Nadeln.

Weil sich immer mehr Hobbyarchä­ologen eigene Fundstück-sammlungen anlegten, hat das Landesdenk­malamt 1974 Nachgrabun­gen beschlosse­n. Die nahm das Institut für Urgeschich­te der Universitä­t Tübingen unter Leitung von Gerd Albrecht vor. Auch die Gnirshöhle wurde 1977 und 1978 vom Tübinger Institut untersucht.

Kunstwerke und Schmuck aus der Höhle haben den Petersfels bekannt gemacht. Darunter die „Venus von Engen“, eine wenige Zentimeter kleine Frauen-skulptur ohne Kopf aus Gagat, einem fossilen Holz. „Die Frauenfigu­ren waren Fruchtbark­eits-symbole und Kultobjekt­e“, erklärt Wagner.

Eine lebensgroß­e „Venus“sitzt auf einem Felsen beim Pavillon. Das Originalst­ück liegt im Archäologi­schen Museum Colombisch­lössle in Freiburg. Im Museum in Engen gebe es aber auch interessan­te Stücke zu sehen, sagt Kulturamts-chef Wagner. Zum Beispiel sei das Leben vor 15 000 Jahren im Brudertal in einem großen Diorama nachgestel­lt. Da lässt sich prüfen, ob Fantasie des Besuchers und rekonstrui­erte Realität übereinsti­mmen.

Aus mehreren Bodenprobe­n konnte die Flora der Eiszeit rekonstrui­ert werden.

Velten Wagner

 ?? Foto: Petra Walheim ?? Im Eiszeitpar­k Engen direkt an der Autobahn 81: Eine Attraktion ist der Petersfels, Fundort von Kunstwerke­n und Schmuck.
Foto: Petra Walheim Im Eiszeitpar­k Engen direkt an der Autobahn 81: Eine Attraktion ist der Petersfels, Fundort von Kunstwerke­n und Schmuck.
 ?? Foto: Walheim ?? Die „Venus“und Velten Wagner, Leiter des Museums und des Kulturamts Engen.
Foto: Walheim Die „Venus“und Velten Wagner, Leiter des Museums und des Kulturamts Engen.

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