Heidenheimer Zeitung

Corona erzwingt Mini-hadsch

Wegen des Infektions­risikos sind dieses Jahr nur einige Tausend Teilnehmer zur Wallfahrt zugelassen. Sie müssen sich an strenge Auflagen halten.

- Von Martin Gehlen

In normalen Jahren quellen die Hotels in Mekka in diesen Tagen über. Durch die Straßen hallen nahezu alle Sprachen des Globus. Muslime aus China und Russland plaudern mit Mitgläubig­en aus Europa und Amerika. Araber treffen sich mit Afrikanern und Asiaten. Aus sämtlichen Ecken der Erde kamen im vergangene­n Jahr die 2,5 Millionen Hadsch-pilger in die Heiligste Stadt des Islam, um an der fünftägige­n Wallfahrt der Superlativ­e teilzunehm­en, die jeder Muslim einmal in seinem Leben mitgemacht haben sollte.

Durch Corona ist nun alles anders. Beklemmend­e Ruhe liegt über dem Geburtsort des Propheten Mohammed, wo momentan Temperatur­en an die 40 Grad herrschen. Seit Jahrhunder­ten empfangen die Bewohner die gottesfürc­htigen Reisenden, bewirten und betreuen sie. Dazu teilten sie sich in Gilden auf, so genannte Tawafas, die jeweils für eine Weltgegend zuständig sind. Schon Großvater und Vater von Abudwahid Safialdeen kümmerten sich um Pilger aus Westafrika. „Das ist das erste Mal, dass ich der Teilnahme am Hadsch beraubt bin und der Ehre, den Gästen Allahs zu dienen“, sagt der 64-Jährige, der seit einem halben Jahrhunder­t mit dabei ist. Wie Familie

Safialdeen leben praktisch alle in Mekka irgendwie vom Hadsch.

Diesmal jedoch durften nur einige Tausend Fromme kommen – das gab es in der modernen Geschichte Saudi-arabiens noch nie. Vor dem Hadsch-auftakt am Mittwoch mussten die Auserwählt­en eine Woche in Quarantäne. Auch in den kommenden Tagen ist Maskentrag­en Pflicht. Dafür hat die kleine Schar der Gläubigen die Große Moschee dann ganz für sich allein. Den schwarzen Stein der Kabaa dürfen die Beter nur umkreisen, nicht aber küssen und berühren. Selbst die Kiesel für die symbolisch­e Steinigung des Teufels wurden sterilisie­rt und in Plastiksäc­kchen verpackt.

In der Zeltstadt bei Mina, fünf Kilometer außerhalb von Mekka, wo die Wallfahrer in der Nacht zu Donnerstag schlafen, sind alle einzeln untergebra­cht. Höhepunkt am Freitag ist das so genannte Opferfest („Eid al-adha“). Die Pilger schlachten Tiere, um an die Geschichte von Abraham und seinem Sohn Isaak zu erinnern, die im Alten Testament und im Koran erzählt wird. Dieser wichtigste Feiertag der Muslime wird nicht nur in Mekka, sondern von allen Gläubigen weltweit begangen.

Für den diesjährig­en Mini-hadsch konnte sich bewerben, wer zwischen 20 und 50 Jahre alt ist und in Saudi-arabien lebt. Niemand von außen wird ins Land gelassen. Wer ohne Genehmigun­g in dem heiligen Bezirk angetroffe­n wird, muss 2500 Euro Strafe zahlen. 30 Prozent der Glückliche­n

sind Saudis, 70 Prozent leben als Gastarbeit­er im Königreich und stammen aus muslimisch­en Ländern wie Indonesien, China, Ägypten oder Marokko. Einer von ihnen ist Abdullah Al-kathiri. Der 20-jährige Emirati war selbst an Covid-19 erkrankt und hat die Lungenseuc­he überlebt. Da er jetzt als immun gilt, blieb ihm die Vorab-quarantäne erspart. „Ich hatte nicht damit gerechnet, unter Millionen von Muslimen ausgewählt zu werden”, jubelte er. „Das ist ein unbeschrei­bliches Gefühl, auch weil dies mein erster Hadsch ist – und das ausgerechn­et unter solch außergewöh­nlichen Umständen.“

Im Nahen Osten gehört Saudi-arabien zu den Ländern mit den meisten Corona-infektione­n. 269 000 Menschen wurde bisher positiv getestet, 2760 sind gestorben. Lob für die Absage des Millionen-hadsch gab es daher vom Chef der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO. Dies sei ein Beispiel „für die harten Einschnitt­e, die alle Nationen treffen mussten, um der Gesundheit den Vorrang zu geben“, erklärte Tedros Ghebreyesu­s. „Es war keine leichte Entscheidu­ng, und wir verstehen, dass die Enttäuschu­ng für viele Muslime groß war, die in diesem Jahr ihre Pilgerreis­e machen wollten.“

 ?? Foto: Saudi Ministry of Media/ap/dpa ?? Arbeiter desinfizie­ren den Boden um die Kaaba, um das Gebiet für die Pilger vorzuberei­ten. Aufgrund der Covid-19-pandemie nehmen in diesem Jahr nur einige Tausend Pilger an dem Ereignis teil. Im vergangene­n Jahr waren es rund 2,5 Millionen.
Foto: Saudi Ministry of Media/ap/dpa Arbeiter desinfizie­ren den Boden um die Kaaba, um das Gebiet für die Pilger vorzuberei­ten. Aufgrund der Covid-19-pandemie nehmen in diesem Jahr nur einige Tausend Pilger an dem Ereignis teil. Im vergangene­n Jahr waren es rund 2,5 Millionen.

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