Harmlose Verpackung, lebensbedrohliche Wirkung
Drogenermittler Armin Weidhaas warnt nach mehreren Vorfällen auf Heidenheimer Schulhöfen vor synthetischen Stoffen, die als „Legal Highs“bei Jugendlichen im Umlauf sind.
In Heidenheim sind unter Jugendlichen synthetische Drogen im Umlauf, deren Wirkung unerforscht ist und die tödlich sein können.
Sie heißen „Research Chemicals“und sind noch wenig erforschte chemische Verbindungen, die als Abfallprodukte in der Pharmaforschung entstehen. Ausgerechnet diese Drogen, deren Wirkung und gesundheitliche Folgen kaum abzuschätzen sind, kursieren in Heidenheim immer häufiger auf Schulhöfen.
„Es kam in Heidenheim mehrmals zu Vorfällen, bei denen Jugendliche kollabiert sind und der Rettungsdienst gar nicht einschätzen konnte, was da los war“, berichtet Polizeikommissar Armin Weidhaas. Der 43-Jährige, der eines von vier Mitgliedern der Heidenheimer Rauschgiftermittlungsgruppe ist, hat deshalb sogar eine Fortbildung für Rettungssanitäter angeboten.
Lebensbedrohliche Wirkung
„Diese Drogen können akut lebensbedrohlich werden, weil sie beispielsweise den Atemreflex unterdrücken“, erläutert der Polizeibeamte. Es handelt sich um pulvrige Substanzen, die entweder wie Kokain geschnupft oder in Aceton oder Waschbenzin gelöst und dann geraucht werden. „Das Perfide daran ist, dass man die Stoffe weder sieht noch riecht, wenn Tabak damit getränkt wird“, erläutert der erfahrene Kommissar. Deshalb könne man den Drogenmissbrauch bei Kontrollen mitunter gar nicht erkennen.
Die Wirkstoffe sind synthetische Cannabinoide oder Amphetamine, aber auch Piperazine, die in der Tiermedizin zur Entwurmung eingesetzt werden und antibiotisch wirken. „Je nach Inhaltsstoffen reicht die Wirkung dieser Drogen von aufputschend bis sedierend“, so Weidhaas. Die Konsumenten seien Jugendliche und junge Erwachsene ab 14 Jahren, so der Polizeikommissar.
Die „Research Chemicals“sind als Wirkstoffe in sogenannten „Legal Highs“enthalten, die Begriffe
werden zum Teil synonym verwendet. Im Internet werden sie in bunten Tütchen mit harmlosen Aufschriften verkauft, oft mit der Bezeichnung „Kräutermischung“, „Badesalz“oder „Raumlufterfrischer“unter Namen wie Bonzai, Jamaican Summer Dream oder White Dove. „Auf der Verpackung steht meist aufgedruckt, dass der Inhalt nicht zum Konsum geeignet sei“, berichtet Armin Weidhaas. Die tatsächlichen synthetischen Inhaltsstoffe werden hingegen nicht ausgewiesen.
„Bei Legal Highs sind die Konzentrationen psychoaktiver Substanzen zum Teil so hoch, dass der Konsum zu lebensgefährlichen Vergiftungen führen kann“, sagt Susan Urbanek, Expertin für Suchtfragen bei der AOK. Konsumiere man die Stoffe, reichen die Folgen von Kreislaufzusammenbruch, Herzrasen und Ohnmacht bis zu Psychosen, Wahnvorstellungen und drohendem Nierenversagen. Laut einer Umfrage der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung aus dem Jahr 2015 haben 2,2 Prozent der 18- bis 25-Jährigen diese neuen psychoaktiven Substanzen schon einmal probiert.
Nur der Handel ist strafbar
Mit den „Research Chemicals“oder „Legal Highs“nutzen die Hersteller eine Lücke im Gesetz: Es sind nämlich nur solche Stoffe verboten, die auch im Betäubungsmittelgesetz (BTMG) aufgeführt sind. Um die Verbreitung von „Legal Highs“einzudämmen, trat Ende 2016 das „Neue-psychoaktive-stoffe-gesetz“
(NPSG) in Kraft. Darin werden nicht mehr einzelne Stoffe, sondern ganze Wirkstoffgruppen verboten. Die Hersteller von „Legal Highs“sind dem Gesetz aber oft einen Schritt voraus: Laut Aok-expertin Susan Urbanek bringen die Akteure des Eu-drogenmarktes jede Woche einen neuen psychoaktiven Stoff in Umlauf.
Grundsätzlich steht nur der Handel mit den „Research Chemicals“unter Strafe, nicht der Konsum. „Wenn wir Minderjährige mit diesen Substanzen erwischen, können wir sie nur ihren Eltern übergeben und diese über die Drogen aufklären“, sagt Armin Weidhaas. Einen Schutz für Konsumenten gebe es nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht. Die „Legal Highs“werden entweder tatsächlich legal über das Internet bestellt, solange sie nicht auf der Btmg-liste geführt werden, oder über das Darknet bezogen.
Während es in den Jahren 2018 und 2019 in Heidenheim mehrere nachgewiesene Fälle von Drogenmissbrauch mit „Research Chemicals“gab, verlief das Jahr 2020 in dieser Hinsicht eher ruhig. „Die Aktivitäten haben sich bedingt durch Corona in den privaten Bereich verlagert, da haben wir weniger Einblicke“, sagt Drogenermittler Weidhaas.