Ärzte fordern Stopp von Routine-operationen
Planbare Eingriffe an Kliniken sollen verschoben werden, um Intensivstationen zu entlasten. Österreich steht vor hartem Lockdown und Schulschließungen.
Deutschlands Klinikärzte fordern stark vom Coronavirus betroffene Bundesländer zu einem Stopp verschiebbarer Eingriffe in Kliniken auf. In einer Erklärung kritisieren die Ärzteorganisation Marburger Bund und die intensivmedizinischen Fachgesellschaften, dass Krankenhäuser aus Umsatzgründen ihre Kapazitäten nicht auf Covid-19-patienten konzentrierten.
Kliniken in stark belasteten Regionen müssten „unverzüglich von der Politik aufgefordert werden“, planbare Operationen zu reduzieren beziehungsweise einzustellen, fordern die Ärzte. Nur dann könne Personal für schwer Erkrankte eingesetzt werden. Ohne diese Unterstützung sei die Belastungsgrenze auf vielen Intensivstationen „schon bald überschritten“.
Derzeit würden an vielen Kliniken planbare Eingriffe nicht verschoben, weil es – anders als im Frühjahr – keine Kompensation für Erlösausfälle gebe. Bereits am Freitag hatte die Gewerkschaft Verdi Alarm geschlagen: Immer öfter müssten infizierte Pflegekräfte weiterarbeiten, um einen Zusammenbruch der Versorgung zu verhindern, sagte ein Sprecher. Gesundheitsminister Jens Spahn verwies laut Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) auf die Verantwortung der Bundesländer, die Klinik-kapazitäten regional zu steuern.
Die Zahl der intensivmedizinisch behandelten Covid-19-patienten in Deutschland ist zuletzt deutlich gestiegen. Das Intensivregister meldete am Samstag 3325 Corona-fälle auf den Intensivstationen sowie rund 6550 freie Betten. Um eine Überlastung der Intensivstationen zu verhindern, hat Österreich am Samstag einen dreiwöchigen harten Lockdown verkündet: Von Dienstag an schließen die meisten Geschäfte und Schulen, das Verlassen der Wohnung ist nur mit triftigem Grund erlaubt.
Am Montag beraten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten über die Pandemie-lage. Die Länderchefs plädieren laut Medienberichten dafür, die weitere Entwicklung abzuwarten.
Berlin. Tilman Kuban (33), der Chef der Jungen Union, wünscht sich, dass die ältere Generation den Verzicht der Jüngeren nicht als selbstverständlich erachtet. Er will für offene Schulen kämpfen – vor allem wegen weniger gut situierten Familien.
Herr Kuban, kommt die Jugend wegen der Corona-pandemie unter die Räder?
Tilman Kuban: Die junge Generation wird zum dreifachen Verlierer der Pandemie. Sie hat schlechtere Startchancen durch ausgefallenen Unterricht, mangelhafte digitale Bildung, den Wegfall von Studentenjobs und die Rezession auf dem Markt für Berufsanfänger. Zum zweiten müssen die nun aufgenommenen Rekordschulden von unserer Generation zurückgezahlt werden. Und drittens – auch wenn es banal klingt – kann man seine Freiheit, zu reisen oder zu feiern gerade in jungen Jahren ausleben. Das bildet Persönlichkeit.
Aber das Versprechen, die Schulen offen zu halten, wird bislang eingehalten.
Es ist richtig, für das Offenhalten der Schulen zu kämpfen. Das darf aber nicht davon befreien, die Digitalisierung des Unterrichts voranzubringen. Hier gibt es große Versäumnisse. Wir müssen sehr genau darauf achten, dass auch Kinder aus nicht ganz so gut situierten Familien eine Chance haben, und die leiden häufig am meisten unter Schließungen.
De facto fällt immer mehr Unterricht aus, weil Schüler wegen Infektionsfällen in Quarantäne müssen.
Das liegt am allgemeinen Verhalten. Viele Menschen haben immer noch nicht begriffen, dass es fünf vor zwölf ist. Wir stehen kurz davor, wieder komplett runterfahren zu müssen – mit erheblichem Schaden für die Wirtschaft, aber eben auch für die Bildung unserer Jüngsten. Wir sehen ja gerade in Österreich, wohin die Reise geht, wenn die Zahlen weiter steigen.
Geschlossene Clubs und Bars gehen auch eher zu Lasten der Jugend.
Natürlich würde auch ich gerne mal wieder feiern. Aber wir schränken uns gerade alle ein, um besonders die Älteren zu schützen. Die junge Generation verhält sich dabei in der großen Mehrheit sehr vernünftig. Ich hoffe, dass dieser Beitrag von der älteren Generation gewürdigt wird. Und wenn wir zum Beispiel demnächst wieder über Generationengerechtigkeit im Rentensystem oder in der Pflege diskutieren, sollten sich alle daran erinnern, was die Jungen jetzt gerade leisten und hinnehmen.
Da erwarten Sie dann Entgegenkommen?
Es geht um den gesellschaftlichen Zusammenhalt, da muss jeder seinen Beitrag leisten. Und genau das tun die Jüngeren gerade durch ihren Verzicht. Ich wünsche mir, dass die Älteren das anerkennen und nicht als völlig selbstverständlich erachten.
Haben Sie konkrete Erwartung an die Corona-beschlüsse der Ministerpräsidenten am Montag?
Ich wünsche mir mehr Nachvollziehbarkeit der Maßnahmen. Das heißt, dass man nicht die bestraft, die sich Gedanken um Hygieneund Abstandskonzepte machen, während man in den Innenstädten und an den Wühltischen ein munteres Gedränge beobachtet.