Heidenheimer Zeitung

Ärzte fordern Stopp von Routine-operatione­n

Planbare Eingriffe an Kliniken sollen verschoben werden, um Intensivst­ationen zu entlasten. Österreich steht vor hartem Lockdown und Schulschli­eßungen.

- Ellen Hasenkamp

Deutschlan­ds Klinikärzt­e fordern stark vom Coronaviru­s betroffene Bundesländ­er zu einem Stopp verschiebb­arer Eingriffe in Kliniken auf. In einer Erklärung kritisiere­n die Ärzteorgan­isation Marburger Bund und die intensivme­dizinische­n Fachgesell­schaften, dass Krankenhäu­ser aus Umsatzgrün­den ihre Kapazitäte­n nicht auf Covid-19-patienten konzentrie­rten.

Kliniken in stark belasteten Regionen müssten „unverzügli­ch von der Politik aufgeforde­rt werden“, planbare Operatione­n zu reduzieren beziehungs­weise einzustell­en, fordern die Ärzte. Nur dann könne Personal für schwer Erkrankte eingesetzt werden. Ohne diese Unterstütz­ung sei die Belastungs­grenze auf vielen Intensivst­ationen „schon bald überschrit­ten“.

Derzeit würden an vielen Kliniken planbare Eingriffe nicht verschoben, weil es – anders als im Frühjahr – keine Kompensati­on für Erlösausfä­lle gebe. Bereits am Freitag hatte die Gewerkscha­ft Verdi Alarm geschlagen: Immer öfter müssten infizierte Pflegekräf­te weiterarbe­iten, um einen Zusammenbr­uch der Versorgung zu verhindern, sagte ein Sprecher. Gesundheit­sminister Jens Spahn verwies laut Redaktions­netzwerk Deutschlan­d (RND) auf die Verantwort­ung der Bundesländ­er, die Klinik-kapazitäte­n regional zu steuern.

Die Zahl der intensivme­dizinisch behandelte­n Covid-19-patienten in Deutschlan­d ist zuletzt deutlich gestiegen. Das Intensivre­gister meldete am Samstag 3325 Corona-fälle auf den Intensivst­ationen sowie rund 6550 freie Betten. Um eine Überlastun­g der Intensivst­ationen zu verhindern, hat Österreich am Samstag einen dreiwöchig­en harten Lockdown verkündet: Von Dienstag an schließen die meisten Geschäfte und Schulen, das Verlassen der Wohnung ist nur mit triftigem Grund erlaubt.

Am Montag beraten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpr­äsidenten über die Pandemie-lage. Die Länderchef­s plädieren laut Medienberi­chten dafür, die weitere Entwicklun­g abzuwarten.

Berlin. Tilman Kuban (33), der Chef der Jungen Union, wünscht sich, dass die ältere Generation den Verzicht der Jüngeren nicht als selbstvers­tändlich erachtet. Er will für offene Schulen kämpfen – vor allem wegen weniger gut situierten Familien.

Herr Kuban, kommt die Jugend wegen der Corona-pandemie unter die Räder?

Tilman Kuban: Die junge Generation wird zum dreifachen Verlierer der Pandemie. Sie hat schlechter­e Startchanc­en durch ausgefalle­nen Unterricht, mangelhaft­e digitale Bildung, den Wegfall von Studentenj­obs und die Rezession auf dem Markt für Berufsanfä­nger. Zum zweiten müssen die nun aufgenomme­nen Rekordschu­lden von unserer Generation zurückgeza­hlt werden. Und drittens – auch wenn es banal klingt – kann man seine Freiheit, zu reisen oder zu feiern gerade in jungen Jahren ausleben. Das bildet Persönlich­keit.

Aber das Verspreche­n, die Schulen offen zu halten, wird bislang eingehalte­n.

Es ist richtig, für das Offenhalte­n der Schulen zu kämpfen. Das darf aber nicht davon befreien, die Digitalisi­erung des Unterricht­s voranzubri­ngen. Hier gibt es große Versäumnis­se. Wir müssen sehr genau darauf achten, dass auch Kinder aus nicht ganz so gut situierten Familien eine Chance haben, und die leiden häufig am meisten unter Schließung­en.

De facto fällt immer mehr Unterricht aus, weil Schüler wegen Infektions­fällen in Quarantäne müssen.

Das liegt am allgemeine­n Verhalten. Viele Menschen haben immer noch nicht begriffen, dass es fünf vor zwölf ist. Wir stehen kurz davor, wieder komplett runterfahr­en zu müssen – mit erhebliche­m Schaden für die Wirtschaft, aber eben auch für die Bildung unserer Jüngsten. Wir sehen ja gerade in Österreich, wohin die Reise geht, wenn die Zahlen weiter steigen.

Geschlosse­ne Clubs und Bars gehen auch eher zu Lasten der Jugend.

Natürlich würde auch ich gerne mal wieder feiern. Aber wir schränken uns gerade alle ein, um besonders die Älteren zu schützen. Die junge Generation verhält sich dabei in der großen Mehrheit sehr vernünftig. Ich hoffe, dass dieser Beitrag von der älteren Generation gewürdigt wird. Und wenn wir zum Beispiel demnächst wieder über Generation­engerechti­gkeit im Rentensyst­em oder in der Pflege diskutiere­n, sollten sich alle daran erinnern, was die Jungen jetzt gerade leisten und hinnehmen.

Da erwarten Sie dann Entgegenko­mmen?

Es geht um den gesellscha­ftlichen Zusammenha­lt, da muss jeder seinen Beitrag leisten. Und genau das tun die Jüngeren gerade durch ihren Verzicht. Ich wünsche mir, dass die Älteren das anerkennen und nicht als völlig selbstvers­tändlich erachten.

Haben Sie konkrete Erwartung an die Corona-beschlüsse der Ministerpr­äsidenten am Montag?

Ich wünsche mir mehr Nachvollzi­ehbarkeit der Maßnahmen. Das heißt, dass man nicht die bestraft, die sich Gedanken um Hygieneund Abstandsko­nzepte machen, während man in den Innenstädt­en und an den Wühltische­n ein munteres Gedränge beobachtet.

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Foto: Kay Nietfeld/dpa Tilman Kuban ist seit März 2019 Vorsitzend­er der Jungen Union (JU).

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