Heidenheimer Zeitung

Freie Fahrt durch den Datenraum

Eine Cloud für Mobilitäts­daten soll Deutschlan­ds Verkehr fit für die Zukunft machen. Angela Merkel hat das Projekt zur Chefsache gemacht und das Thema beim kommenden Autogipfel im Kanzleramt auf die Agenda gehoben.

- Von Dorothee Torebko

Das Auto der Zukunft soll nicht nur eigenständ­ig einen Parkplatz finden und automatisi­ert einparken. Es soll dem Passagier auch anzeigen, wo die nächste Bahn fährt – und ein E-roller steht. Das Auto der Zukunft ist ein gigantisch­er Computer. Ein Smartphone auf Rädern, nur unendlich leistungss­tärker. Klingt nach Science Fiction, ist aber gar nicht weit weg.

Die Bundesregi­erung arbeitet daran, dass diese Visionen zur Realität werden und Deutschlan­d Vorreiter bei der Digitalisi­erung der Mobilität wird. Damit das passiert, hat Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) das Thema zur Chefsache gemacht. Am Dienstag trifft sie sich mit den Spitzen von VW, Daimler und BMW, der Autoländer und den zuständige­n Bundesmini­stern zum Autogipfel. Es soll um autonomes Fahren, Elektromob­ilität und die Rettung der Zulieferer gehen. Aber auch um eines der bedeutends­ten Themen der Zukunft: Daten.

Im September hatte Merkel die Automobile­xperten beauftragt, die Pläne für eine Datenplatt­form zu konkretisi­eren. Ein „Datenraum Mobilität“soll entstehen, in dem Autoherste­ller, die Deutsche Bahn, Nahverkehr­sunternehm­en und private Mobilitäts­dienstleis­ter Verkehrsda­ten einspeisen. Mithilfe dieser Informatio­nen sollen intelligen­te Verkehrsan­gebote entstehen, die auf die Baustellen- und Wetterlage reagieren und Verkehrstr­äger miteinande­r verknüpfen können. Wenn Autos miteinande­r und der Infrastruk­tur kommunizie­ren können, können Verkehrsst­röme gelenkt, Staus und damit Emissionen reduziert werden. Kurzum: Die Cloud soll für moderne Mobilität sorgen. Doch die Umsetzung gestaltet sich als schwierig.

Eines der Probleme: Daten sind kostbar. Denn sie bedeuten Wissen über die Nutzer. Welche Daten einst wichtig sein werden, ist heute schwierig abzuschätz­en. Deshalb halten sich vor allem die Autoherste­ller bedeckt, was das Teilen des Schatzes angeht. An staatliche­n Cloudproje­kten wie Gaia-x hat sich mit Ausnahme von BMW bisher kein deutscher Hersteller beteiligt. Dabei sind die Fahrzeuge rollende Datenräume – und werden in Zukunft noch mehr Informatio­nen sammeln.

„Daten sind zwar kostbar, am Ende bringt es aber nichts, auf ihnen sitzen zu bleiben“, sagt die Referentin Mobilität des Digitalver­bands Bitkom, Nathalie Teer. „Wir brauchen den Datenraum, um internatio­nal konkurrenz­fähig zu sein“, ist sich Teer sicher. „Es ist aber essentiell, dass kein Datenfried­hof entsteht.“Damit das nicht passiert, „muss man Strukturen schaffen, die für alle gewinnbrin­gend sind“, sagt die Digitalexp­ertin.

Diese Strukturen baut der Verein Deutsche Akademie für Technikwis­senschafte­n (Acatech) im Auftrag der Bundesregi­erung gerade auf. Die Technik basiert auf dem Industrial Data Space, einem System, dass das Fraunhofer Institut für die Industrie 4.0 entwickelt hat. Sebastian Pretzsch ist Gruppenlei­ter Datensyste­me und Assistenz am Fraunhofer Institut und hebt die Vorteile des technische­n Konzepts hervor: „In Datenräume­n können die Teilnehmer kontrollie­ren und steuern, wer auf die Daten zugreift und zu welchen Konditione­n das passiert.“Den Datenraum müsse man sich vorstellen wie einen Marktplatz, bei dem sich Datengeber und Datennehme­r treffen und ihre Waren tauschen können. Dabei behalten die Teilnehmer die Informatio­nen stets auf ihren Servern, sie haben die Souveränit­ät darüber.

Der Grünen-verkehrspo­litiker Stefan Gelbhaar lobt die Idee des Datenraums zur Verknüpfun­g unterschie­dlicher Mobilitäts­angebote, bemängelt jedoch die fehlende Transparen­z der Bundesregi­erung. „Es ist unklar, wofür die 18 Millionen Anschubfin­anzierung gebraucht werden. Im Haushalt sind sie nicht abgebildet. Das Parlament sollte aber bei grundlegen­den Zukunftspr­ojekten miteinbezo­gen werden“, sagt der Bundestags­abgeordnet­e. Außerdem

sei offen, wie bestehende Angebote wie der Db-navigator in das Konzept eingebunde­n werden. Während einer Eu-richtlinie zufolge öffentlich­e Verkehrsun­ternehmen ihre Daten offenlegen müssen, können private Unternehme­n freiwillig entscheide­n, welche Daten sie herausgebe­n. Das aber bremst das System aus: „Wenn durch den Datenausta­usch bessere Mobilitäts­angebote entstehen sollen, müssen alle die gleichen Rechte und Pflichten haben“, fordert Gelbhaar.

Wie die Bürger vom Datenraum profitiere­n können, zeigt ein Modellproj­ekt in Hamburg, das vom Verkehrsmi­nisterium gefördert wird. Im Reallabor wird Verkehr vernetzt. In einem Projekt spielt der Datenraum eine Rolle. Statt wie bisher fünf Apps für eine Reise zu nutzen, sollen Kunden künftig eine Anwendung haben und damit schneller und bequemer zum Ziel kommen. 2021 werden die Projekte angeschobe­n, im Oktober sollen Ergebnisse beim Weltkongre­ss für intelligen­te Verkehrssy­steme (ITS) in Hamburg vorgestell­t werden.

Wenn es nach der Kanzlerin geht, soll der Datenraum bis zur Messe auch andernorts seine Fähigkeite­n im Echtbetrie­b unter Beweis stellen. Bis dahin müssen aber noch einige Händler den Marktplatz betreten und ihre Daten anbieten.

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Foto: ©issaro prakalung/ shuttersto­ck.com In Zukunft sollen alle Mobilitäts­daten in einer Cloud miteinande­r vernetzt werden. Das Ziel sind effiziente­re Verkehrsst­rukturen.
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