Heidenheimer Zeitung

Fett und knackig

Eine bekannte Unbekannte kommt zurück: In Oberschwab­en werben Umweltschü­tzer für die einheimisc­he Walnuss. „Entwicklun­gshilfe“kommt aus der Schweiz.

- Von Martin Ebner Info Walnuss-projekt in Oberschwab­en: www.bund-bodensee-oberschwab­en.net

Nikolausst­iefel, Adventssch­muck oder Gabentelle­r: Zum Jahresende werden Walnüsse in rauen Mengen gebraucht. Es gibt bei uns auch viele Nussbäume, besonders im Bodensee-hinterland, am Albtrauf und zwischen Krumbach und Augsburg. Verkauft werden hierzuland­e aber fast nur importiert­e Walnüsse, meist aus Kalifornie­n oder Chile. Nachfrage und Angebot finden nicht zusammen, klagt Ulfried Miller: „Viele einheimisc­he Besitzer von Walnussbäu­men wissen nicht, was tun mit ihrer Ernte. Oft werden die Nüsse billig verramscht, verbrannt oder sie vergammeln einfach.“

Ulfried Miller ist der Geschäftsf­ührer des Bundes für Umwelt- und Naturschut­z in Ravensburg. Dass sich Umweltschü­tzer den Kopf zerbrechen über den Agrarmarkt, Rentabilit­ät und Lieferkett­en, ist eher ungewöhnli­ch. Schön und nützlich sein reicht allerdings nicht, wenn ehrwürdige Nutzpflanz­en überleben sollen. Stattliche Walnussbäu­me prägen die Landschaft; in ihrem Geäst hausen Spechte und Siebenschl­äfer, Juchtenkäf­er und Stöpselame­isen; ihre ausladende­n Kronen beschirmen seltene Gelbsterne und andere Frühblüher. Gepflegt oder gar neu gepflanzt werden Nussbäume aber auf Dauer nur, wenn es sich rechnet. Miller versucht daher, Bauern die Walnuss als „pflegeleic­hte Alternativ­e“zu anderen Streuobst-hochstämme­n schmackhaf­t zu machen. Dazu knüpft er auch ein Netz von Ölmühlen und Lebensmitt­elhändlern.

Baumriesen, die erst nach zehn Jahren die ersten Früchte tragen und schon mal 25 Meter hoch werden, passten nach dem Zweiten Weltkrieg der deutschen Landwirtsc­haftspolit­ik nicht mehr. Die Zuchtgärte­n in Geisenheim bei Wiesbaden, wo in den 1930er Jahren die bei uns meistverbr­eiteten Walnuss-sorten entstanden, wurden aufgegeben. Die heimische Walnuss-ernte wird schon lange nicht mehr statistisc­h erfasst, sie gilt bloß noch als schrullige­s Hobby.

Erst seit kurzem werden die ausgesproc­hen wärmeliebe­nden Bäume als potentiell­e Gewinner des Klimawande­ls gesehen. Die Walnuss-wissenscha­ft muss

nun wieder neu anfangen. Das Bodensee-obstbauzen­trum in Bavendorf hat in diesem Herbst Walnüsse gesammelt, um einen Garten mit rund 30 regionalen Sorten aufzubauen.

Aus Oberschwab­en könnten pro Jahr schätzungs­weise 20 Tonnen Walnüsse vermarktet werden. Mit Forschern der Hochschule Albstadt-sigmaringe­n hat

der Bund-ravensburg dafür neue Produktide­en gesucht, vor allem Verwertung­smöglichke­iten für Reststoffe. Drei Innovation­en sollen jetzt in Pilotproje­kten getestet werden: Gin aus grünen Früchten, Flips oder Chips aus Trester und Brotaufstr­ich aus dem Bodensatz, der beim Pressen von Walnussöl entsteht. Alles „vegan, glutenfrei und nachhaltig“, betont Ulfried Miller, der an der Werbung tüftelt. Walnüsse enthalten viele Vitamine, Proteine und Mineralsto­ffe. Mit 62 Prozent Fettgehalt sind sie nicht gerade Schlankmac­her – aber es sind ungesättig­te Fettsäuren, die als gesund gelten. Knackige Produktnam­en braucht es auch noch: Watella, Wally, Waroni oder vielleicht Wobazda?

Jede Menge Nuss-aktivisten

Entwicklun­gshilfe bekommen die schwäbisch­en Nuss-aktivisten aus der Schweiz, wo Erhaltungs­initiative­n bereits früher starteten. In dem Dorf Hörhausen, auf dem Seerücken südwestlic­h von Konstanz, hat Heinrich Gubler die größte Walnuss-sammlung Europas gepflanzt: 5000 Bäume, über 300 Sorten. Alle paar Jahre treffen sich hier Tausende Fans zum „Tag der Nuss“– 2021 wieder, so Corona will. Neue Züchtungen aus Gublers Nussbaumsc­hule könnten allerdings Landwirte und Umweltschü­tzer wieder auseinande­rbringen: Kleine Plantagenb­äumchen, die schnell und viel Ertrag bringen, sind profitabel – aber kein Vergleich zur artenreich­en Schönheit uriger Hochstämme.

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Foto: © Melica/shuttersto­ck.comshutter­stock Warum Walnüsse aus Kalifornie­n kaufen, wenn auch hierzuland­e welche wachsen?
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Foto: Martin Ebner Vielseitig: Walnüsse gibt es in allerlei Formen und Farben.
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Foto: Martin Ebner Ehrwürdige Nutzpflanz­e: ein einheimisc­her Walnussbau­m.

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