„Oft schlicht Bargeld verteilt“
Die deutsche Nichtregierungsorganisation
„Welthungerhilfe“spricht im Zusammenhang mit Corona von einem „Brandbeschleuniger“für zunehmende Unterernährung. Mathias Mogge, Generalsekretär der Organisation, verweist aber darauf, dass die Pandemie nur ein Teil des Problems ist.
Herr Mogge, stünde Afrika ohne die Pandemiemaßnahmen besser da? Mathias Mogge:
Die strikten Lockdowns bedeuten für viele Menschen existenzbedrohende Einschnitte. Aber auch wenn derzeit in Afrika relativ wenige Corona-infektionen gemeldet werden, heißt das nicht, der Kontinent wäre immun.
Immerhin ist Afrikas Bevölkerung sehr jung.
Ja. Aber Vorerkrankungen haben in Afrika auch junge Menschen. Viele haben durch Mangelernährung ein schwächeres Immunsystem. Und wenn es jemanden erwischt, steht in der Regel ein desaströses Gesundheitswesen zur Verfügung. Corona ist auch in Afrika ein Problem.
Gibt es eine spezifische, internationale Corona-hilfe für die ärmsten Länder?
Die gibt es durchaus. Organisationen wie die Weltbank und andere haben Programme aufgelegt. Auch Deutschland hilft. Es gibt Sozialprogramme zum Beispiel in Äthiopien, Kenia oder Uganda. Da geht es darum, die schlimmsten Pandemiefolgen abzumildern. Oft wird schlicht Bargeld verteilt.
Die Zahl der Hungernden ist schon vor Corona wieder gestiegen. Woran lag das?
Vorwiegend waren dafür Kriege, die Auswirkungen des Klimawandels und schlechte Regierungsführung verantwortlich. In manchen Ländern kam alles zusammen. Plus Naturkatastrophen und nun plus Corona. Nachdem es jahrelang immer weniger Hunger gab, steigt die Zahl der Hungernden seit 2015 wieder. Im nächsten Jahr könnten 80 bis 120 Millionen Hungernde hinzukommen.
Fürchten Sie, dass die Entwicklungsziele wegen der Krise geschleift werden – etwa das Ende des Hungers bis zum Jahr 2030? Geht Entwicklungszusammenarbeit komplett über Bord?
Ich würde sagen, sie gerät vor allem finanziell unter Druck. Das sehen wir zum Beispiel bei der Mittelfristplanung des deutschen Entwicklungsministeriums. Da liegen die bisher geplanten Finanzmittel für 2022 und 2023 deutlich unter den heutigen. Wenn das Steueraufkommen in den Industriestaaten sinkt, geht das nicht spurlos an der Entwicklungszusammenarbeit vorbei.