Vom Panzer ans Corona-telefon
Sechs Soldaten helfen dem Heidenheimer Gesundheitsamt bei der Bekämpfung der Pandemie. Doch das scheint nicht zu reichen. Landrat Peter Polta hofft auf die Ankunft von weiteren acht Soldaten.
Im Kampf gegen die Corona-pandemie will Heidenheims Landrat Peter Polta, alle Möglichkeiten ausschöpfen, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Deshalb fordert er weitere acht Soldaten zur Verstärkung des Corona-teams an. Sechs Soldaten sind bereits vor Ort. Wie sie bei der Corona-kontaktnachverfolgung helfen und welche Sanitätsdienste geleistet werden, darüber sprach Oberstleutnant Markus Kirchenbauer vom Bundeswehr-landeskommando mit Landrat Peter Polta und Gesundheitsamtsleiter Christoph Bauer.
Dass sie gerade mit einem Soldaten telefonieren, das bemerken die Menschen nicht. Wie auch? Sie sehen ja nicht, dass ihr Gegenüber keine Zivilkleidung trägt, sondern die tarnfarbene Einsatzuniform eines Bundeswehrsoldaten. Am Telefon meldet sich Unteroffizier Sven Rose, einer der vier Soldaten, die seit Anfang November beim Landratsamt Heidenheim Dienst tun. Sie helfen dabei, die Kontaktpersonen von Corona-infizierten ausfindig zu machen. Je schneller das geschieht, desto besser. Denn dann kann die Ansteckungsgefahr minimiert, können die Kontaktketten unterbrochen werden.
15 bis 20 Anrufe tätigt der Soldat pro Arbeitstag, der um 9.30 Uhr beginnt und meist um circa 19.30 Uhr endet. Ihre Anruflisten bekommen die Soldaten vom Gesundheitsamt zugewiesen.
„Die meisten Leute wissen schon Bescheid, um was es geht“, erzählt Rose. Seine Aufgabe sei es, Kontaktpersonen der vergangenen 48 Stunden und Arbeitgeber zu ermitteln. Name, Adresse, Telefonnummer. Alle Daten werden ins System eingegeben und auch handschriftlich notiert. Wie mit den ermittelten Daten umgegangen wird, wie die Kontakte eingestuft werden und wie es weiter geht, das entscheiden nicht die Soldaten, sondern die Mitarbeiter im Gesundheitsamt.
Die häufigste Frage sei, ob man in Quarantäne noch die Wohnung verlassen dürfe. Darf man? „In den häuslichen Garten ja, ansonsten nein.“Wie lange die Gespräche dauern, sei unterschiedlich. Bei manchen ginge das fix, bei andere erfahre er schon mal die halbe Lebensgeschichte, erzählt Rose. Auch wenn er jetzt anders als in der Kaserne eine sitzende Tätigkeit verübe, strenge die Arbeit an. Man müsse immer hoch konzentriert sein. Allein ein Zahlendreher
– und der Kontakt sei falsch. „Hut ab vor dem, was die Mitarbeiter seit Monaten leisten.“
Doch nicht nur als Scouts, wie die Telefon-ermittler im allgemeinen Sprachgebrauch genannt werden, sind Soldaten im Einsatz, sondern auch im medizinischen Bereich. Zwei Sanitäts-soldatinnen aus Darmstadt arbeiten in der mobilen Corona-ambulanz, fahren Altenheime und Kontaktpersonen ersten Grades an, um Abstriche zu nehmen.
Drei Corona-einsatzfahrzeuge
Unterwegs sind sie in einem von den drei medizinischen Einsatzfahrzeugen, das die Landkreisverwaltung eigens als Corona-mobile angeschafft hat. Weil sie bei der Arbeit weiße Schutzkleidung über der Uniform tragen, sieht man auch Ihnen ihren eigentlichen Beruf nicht an. Anders als bei den Scouts ist bei den Sanitätern die Qualifikation wichtig. Pia Müller, die sich wie die anderen freiwillig für den Corona-dienst gemeldet hat. ist medizinische Fachangestellte beim Sanitätsdienst der Bundeswehr und ist daher ausgebildet, Abstriche zu nehmen.
Warum Soldaten und nicht eigene Mitarbeiter? Peter Polta hatte die Amtshilfe der Bundeswehr beantragt, um die eigenen Leute angesichts immer weiter steigender Fallzahlen zu unterstützen. „Wir müssen noch durchhalten bis zum Frühjahr.“Dass es vorerst keine Atempause für die Mitarbeiter geben wird, da ist sich der Landrat ebenso sicher wie Christoph Bauer, der Leiter des Gesundheitsamtes.
1400 Menschen in Isolation
„Wir wollen noch mehr testen“, sagt Bauer zur Teststrategie des Landkreises. Seit August hätten sich die Testzahlen versiebenfacht. „Wir wollen jeden Fall aufnehmen und die Kontaktketten so schnell wie möglich abschneiden.“1400 Menschen seien derzeit als Kontaktpersonen isoliert, diese müssten betreut werden. Auch in den Pflegeheim will Bauer die Strategie der Pcr-tests vor Ort beibehalten. „Allein ohne die Hilfe der Soldaten würden wir das nicht schaffen.“
65 Köpfe ist das gesamte Corona-team im Landratsamt laut Landrat Polta derzeit stark, am
Wochenende sind 40 Mitarbeiter im Einsatz mit der Möglichkeit, im Ernstfall auch hier die Mitarbeiterzahl die erhöhen. Möglich sei das nur, weil auch innerhalb der Verwaltung mit ihren 670 Beschäftigten Mitarbeiter versetzt wurden.
Doch auch wenn jeder zehnte Landratsamt-mitarbeiter schon bei der Pandemie-bekämpfung hilft, reicht die Personalstärke nicht aus, um den steigenden Zahlen hinterher zu kommen. „Noch können wir die Fälle tagesgenau bearbeiten“, sagt Bauer.
Bald 14 Soldaten in Heidenheim
Weil das Team durch steigende Zahlen am Limit arbeitet, hat
Landrat Peter Polta bei der Bundeswehr um weitere Amtshilfe gebeten: sechs zusätzliche Scouts und zwei weitere Sanitäter. „Damit hätten wir die Hilfe von 14 Soldaten. Wir sind sehr dankbar über die Unterstützung“, sagt Polta und richtet die Worte auch an Oberstleutnant Markus Kirchenbauer. Der Leiter der Informationsarbeit beim Landeskommando Baden-württemberg, unter dessen Regie 13 800 Soldaten Dienst tun, besucht die Soldaten am Montag vor Ort.
Wie sieht es mit der Einsatzfähigkeit der Bundeswehr aus, wenn immer mehr Soldaten im Corona-einsatz seien? Auslandseinsätze wie zum Beispiel in Afghanistan
oder Mali seien nicht tangiert, so Kirchenbauer. Dahingegen würden alle nicht dringenden Arbeiten eingeschränkt, wie etwa nicht einsatzrelevante Ausbildungen, Truppenübungen oder Veranstaltungen. Im Moment, so versichert Kirchenbauer, sei die Bundeswehr noch nicht am personellen Limit.
Wie lange die Soldaten noch in Heidenheim bleiben, das entscheidet sich noch. Die erste Amtshilfe-phase laufe noch bis zum 4. Dezember. Dann, so Kirchenbauer, werde je nach Situation erneut entschieden. Landrat Polta rechnet schon jetzt damit, dass auf die Soldaten dann noch nicht verzichtet werden kann.
Hut ab vor dem, was die Mitarbeiter seit Monaten leisten.
Sven Rose
Unteroffizier, über die Kontaktnachverfolgung im Landratsamt