Routiniert durch die zweite Welle
Im Umgang mit Corona zeichnet sich im Gegensatz zum Frühjahr ein Wandel ab: Es gibt mehr Schutzausrüstungen, und ein Impfstoff rückt in greifbare Nähe.
Im Sommer schien die erste Corona-welle fast vergessen zu sein. Nun rollt die zweite Infektionswelle, erneut sind Kultureinrichtungen und Restaurants geschlossen – und weitere Verschärfungen drohen. Sind wir gar nicht vorangekommen?
Impfstoffe. Der größte Unterschied zum Frühjahr ist, dass Impfstoffe zum Greifen nah sind. Zunächst hatten vor gut einer Woche das deutsche Unternehmen Biontech und sein Partner, der Us-konzern Pfizer, bekanntgegeben, dass ihr Impfstoff eine Wirksamkeit von 90 Prozent habe – neun von zehn Geimpften sind vor der Erkrankung geschützt. Dann teilte die Us-firma Moderna am Montag mit, dass ihr Impfstoff eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent besitze. Beide hoffen auf eine schnelle Zulassung.
Sind die Impfstoffe lieferbar, sollen die Impfungen vorrangig in 60 Impfzentren durchgeführt werden. Diese sollen bis Mitte Dezember einsatzbereit sein. Die Länder organisieren die Logistik, die Beschaffung und Bezahlung des Impfstoffs übernimmt der Bund. Laut Gerald Haug, Präsident der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, müssen sich 70 Prozent der Menschen impfen lassen, um eine hohe Wirksamkeit zu haben.
Allerdings wird es eine Weile dauern, bis ein nennenswerter Anteil der Bevölkerung immunisiert werden kann. Die Ständige Impfkommission hat darauf hingewiesen, dass es, wenn man pro Tag 100 000 Menschen impfen würde, was bereits eine Herausforderung sei, 150 Tage brauche, um 15 Millionen Menschen zu impfen.
Therapie. Im Gegensatz dazu sind noch keine echten Covid-19-medikamente in Sicht. Fortschritte gibt es trotzdem. So kann das Mittel Remdesivir, das eigentlich gegen Ebola helfen sollte, im Krankenhaus behandelte Patienten früher genesen lassen. Da das Coronavirus die Blutgerinnung anheizt, was zu Thrombosen führen kann, die Schlaganfälle und Lungenembolien auslösen, wird zudem heute in der Behandlung viel Wert auf den rechtzeitigen Einsatz von Blutverdünnern gelegt.
Tests. Laut dem Verband der Akkreditierten Labore wurden in der Kalenderwoche 12, also Mitte März, 267 100 Tests ausgewertet. In der Kalenderwoche 45 dagegen, Anfang November, wurden 1,446 Millionen durchgeführt – mehr als das Fünffache.
Dabei hat sich auch die Zahl der positiven Tests deutlich verändert. Ende März waren laut Robert-koch-institut 8,7 Prozent der Getesteten mit dem Corona-virus infiziert. Dieser Wert sank danach deutlich ab. Mitte Juli hatten nur 0,6 Prozent der Getesteten Corona. In der ersten Novemberwoche dagegen lag die Zahl bei 7,9 Prozent. Die hohe Zahl an entdeckten Neuinfektionen hat also längst nicht nur mit den vielen Tests zu tun.
Das RKI meldete am Dienstag 14 419 neue Infektionen – knapp 1000 Fälle weniger als vor einer
Woche. Damit liegen die Zahlen aktuell unter der Marke von 20 000, die in der zweiten Welle bereits mehrfach überschritten wurde. Der Höchststand war am Freitag mit 23 542 Fällen erreicht worden. Der Maximalwert der ersten Welle hatte am 28. März bei 6294 Infektionen gelegen.
Schutzausrüstung. Hier veränderte sich die Lage komplett. Im Frühjahr hatte sich gezeigt, dass in Kliniken und Praxen viel zu wenig Schutzkleidung, viel zu wenig Masken vorrätig waren. Nachbestellen wurde quasi über Nacht unmöglich – oder sehr teuer. Als dann Experten und Politiker, die zunächst Masken für den Normalbürger für unnütz erklärt hatten, ihre Meinung umstießen, ging das große Nähen los, um an Alltagsmasken zu kommen. Mittlerweile gibt es Produzenten für Hochsicherheitswie für Alltagsmasken ohne Ende. Die Bürger haben sich daran gewöhnt, im Supermarkt auch eine Packung Masken in den Korb zu legen – und den Mund-nasen-schutz zu tragen.
Der Anteil positiver Tests auf das Coronavirus geht wieder deutlich nach oben.
Sterblichkeit. Laut dem Register der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin sterben 22 Prozent der Covid-19-patienten, die auf eine Intensivstation kommen – bisher waren das 5886. Angesichts von 815 746 nachgewiesenen Infektionen und einer Zahl von insgesamt 12 814 Todesfällen mit dem Virus gibt es eine Sterblichkeit von 1,57 Prozent. Da es eine Dunkelziffer gibt, dürfte der Wert der Toten bezogen auf alle Infizierten allerdings niedriger liegen.
Um daher abzuschätzen, wie tödlich eine Krankheit tatsächlich ist, wird die Übersterblichkeit herangezogen, man schaut, wie viele Menschen normalerweise sterben würden. So kam das RKI für die schwere Grippesaison 2017/18 auf 25 100 Tote, obwohl es nur 1700 laborbestätigte Fälle gab. Das Statistische Bundesamt hat gerade erste Corona-daten bekanntgegeben. Danach gab es von Ende März bis Anfang Mai „deutlich erhöhte Sterbefallzahlen im Vergleich zum Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019“. In der 15. Kalenderwoche (6. bis 12. April) war die Abweichung mit 14 Prozent am größten.
Dann normalisierte sich das Geschehen. Im September lagen die Zahlen dann fünf Prozent höher. Angesichts von aktuell täglich jeweils über 200 Toten darf man davon ausgehen, dass sich Corona wieder deutlicher bemerkbarer machen wird.