Ein Konflikt mit Ansage
Die Blockade des Finanzpakets durch Polen und Ungarn kommt nicht überraschend. Eine Lösung ist nicht in Sicht.
Brüssel. Im Drama um das gigantische Eu-finanzpaket über 1,6 Billionen Euro richten sich die Hoffnungen jetzt auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU): Kann sie an der Spitze der deutschen Ratspräsidentschaft die Blockade Ungarns und Polens doch noch aufbrechen, damit die Coronaaufbauhilfen und das Sieben-jahres-budget zügig beschlossen werden? Der Streit wird zum zentralen Thema beim Videogipfel der Eu-regierungschefs am Donnerstagabend. Vorher versucht die Bundesregierung hinter den Kulissen, die beiden Regierungen in Warschau und Budapest zum Verzicht auf die Blockade zu bewegen. Doch die Fronten sind verhärtet.
Der Konflikt bahnte sich seit Monaten an: Polen und Ungarn wollen mit dem Veto gegen das Finanzpaket verhindern, dass die EU künftig einzelnen Staaten bei gravierenden Verstößen gegen rechtsstaatliche Standards die Fördermittel kürzen darf. Die beiden Staaten fürchten nicht zu Unrecht, dass die Sanktionen als erstes sie treffen würden. Und zwar empfindlich, denn beide Länder kassieren zusammen jedes Jahr 17 Milliarden Euro mehr aus der Eu-kasse als sie einzahlen.
Eingriffe in Presse und Justiz
Dass sie auf das Geld pochen, aber gemeinsame Prinzipien der EU ignorieren oder sehr eigenwillig auslegen, empört viele Kritiker in Brüssel. Die Regierungen Polens und Ungarns greifen seit Jahren mit Gesetzes- und Verfassungsänderungen in die Unabhängigkeit von Justiz und Medien ein. Polen hat das Verfassungsgericht entmachtet und auf Parteikurs gebracht, viele Gerichte wurden mit linientreuen Richtern besetzt. Ungarn hat ähnliche Eingriffe schon früher vollzogen, die Justiz schaut bei Korruptionsvorwürfen gegen Politiker des Regierungslagers weg, regierungsnahe Unternehmen übernehmen systematisch bislang unabhängige Medien.
Die Eu-kommission als Hüterin der Eu-verträge sieht darin klare Verstöße gegen die gemeinsamen Grundwerte – doch versucht sie seit Jahren vergeblich, die Eingriffe zu stoppen. Denn Polen und Ungarn können die bestehenden rechtlichen Instrumente der Union aushebeln, wenn sie sich zusammentun.
Deshalb soll mit dem neuen Sieben-jahres-budget der EU nun ein sogenannter „Rechtsstaatsmechanismus“eingeführt werden: Fördergelder können damit (auf Vorschlag der Kommission und abgesegnet durch die qualifizierte Mehheit der Mitgliedstaaten) gestoppt werden, wenn ein Land Standards wie die Unabhängigkeit der Justiz oder die Wahrung der Menschenrechte gravierend verletzt. Allerdings muss nachgewiesen werden, dass die Verletzung der Rechtsstaatlichkeit zu einem Missbrauch von Eu-geldern
Befürworter beteuern, die Sanktionen richteten sich nicht gezielt gegen die Länder.
führt – etwa wenn Gerichte Korruption nicht ausreichend verfolgen. Diese Einschränkung ist ein Kompromiss, mit dem die deutsche Ratspräsidentschaft den lange schwelenden Konflikt beenden wollte. Vergeblich. Polen und Ungarn mauern.
Der Ausweg, das Finanzpaket aufzuschnüren und wenigstens Teile in Kraft zu setzen, gilt als zu kompliziert und riskant. Überlegt wird nun eine Zusatzerklärung, mit der Bedenken Ungarns und Polens Rechnung getragen würde.
Im Eu-parlament versichern die Befürworter der Sanktionen jetzt mit großem Nachdruck, die neuen Sanktionsmöglichkeiten richteten sich keineswegs gezielt gegen die Regierungen in Warschau und Polen. Auch bei anderen Ländern wie Malta, Griechenland oder Rumänien müsse jetzt genauer hingeschaut werden.
Blockieren mit ihrem Veto den langfristigen Eu-haushalt und die Corona-hilfen: Viktor Orban, der Premierminister von Ungarn (links), Mateusz Morawiecki, der Premierminister von Polen.