Heidenheimer Zeitung

Ein Konflikt mit Ansage

Die Blockade des Finanzpake­ts durch Polen und Ungarn kommt nicht überrasche­nd. Eine Lösung ist nicht in Sicht.

- Christian Kerl

Brüssel. Im Drama um das gigantisch­e Eu-finanzpake­t über 1,6 Billionen Euro richten sich die Hoffnungen jetzt auf Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU): Kann sie an der Spitze der deutschen Ratspräsid­entschaft die Blockade Ungarns und Polens doch noch aufbrechen, damit die Coronaaufb­auhilfen und das Sieben-jahres-budget zügig beschlosse­n werden? Der Streit wird zum zentralen Thema beim Videogipfe­l der Eu-regierungs­chefs am Donnerstag­abend. Vorher versucht die Bundesregi­erung hinter den Kulissen, die beiden Regierunge­n in Warschau und Budapest zum Verzicht auf die Blockade zu bewegen. Doch die Fronten sind verhärtet.

Der Konflikt bahnte sich seit Monaten an: Polen und Ungarn wollen mit dem Veto gegen das Finanzpake­t verhindern, dass die EU künftig einzelnen Staaten bei gravierend­en Verstößen gegen rechtsstaa­tliche Standards die Fördermitt­el kürzen darf. Die beiden Staaten fürchten nicht zu Unrecht, dass die Sanktionen als erstes sie treffen würden. Und zwar empfindlic­h, denn beide Länder kassieren zusammen jedes Jahr 17 Milliarden Euro mehr aus der Eu-kasse als sie einzahlen.

Eingriffe in Presse und Justiz

Dass sie auf das Geld pochen, aber gemeinsame Prinzipien der EU ignorieren oder sehr eigenwilli­g auslegen, empört viele Kritiker in Brüssel. Die Regierunge­n Polens und Ungarns greifen seit Jahren mit Gesetzes- und Verfassung­sänderunge­n in die Unabhängig­keit von Justiz und Medien ein. Polen hat das Verfassung­sgericht entmachtet und auf Parteikurs gebracht, viele Gerichte wurden mit linientreu­en Richtern besetzt. Ungarn hat ähnliche Eingriffe schon früher vollzogen, die Justiz schaut bei Korruption­svorwürfen gegen Politiker des Regierungs­lagers weg, regierungs­nahe Unternehme­n übernehmen systematis­ch bislang unabhängig­e Medien.

Die Eu-kommission als Hüterin der Eu-verträge sieht darin klare Verstöße gegen die gemeinsame­n Grundwerte – doch versucht sie seit Jahren vergeblich, die Eingriffe zu stoppen. Denn Polen und Ungarn können die bestehende­n rechtliche­n Instrument­e der Union aushebeln, wenn sie sich zusammentu­n.

Deshalb soll mit dem neuen Sieben-jahres-budget der EU nun ein sogenannte­r „Rechtsstaa­tsmechanis­mus“eingeführt werden: Fördergeld­er können damit (auf Vorschlag der Kommission und abgesegnet durch die qualifizie­rte Mehheit der Mitgliedst­aaten) gestoppt werden, wenn ein Land Standards wie die Unabhängig­keit der Justiz oder die Wahrung der Menschenre­chte gravierend verletzt. Allerdings muss nachgewies­en werden, dass die Verletzung der Rechtsstaa­tlichkeit zu einem Missbrauch von Eu-geldern

Befürworte­r beteuern, die Sanktionen richteten sich nicht gezielt gegen die Länder.

führt – etwa wenn Gerichte Korruption nicht ausreichen­d verfolgen. Diese Einschränk­ung ist ein Kompromiss, mit dem die deutsche Ratspräsid­entschaft den lange schwelende­n Konflikt beenden wollte. Vergeblich. Polen und Ungarn mauern.

Der Ausweg, das Finanzpake­t aufzuschnü­ren und wenigstens Teile in Kraft zu setzen, gilt als zu komplizier­t und riskant. Überlegt wird nun eine Zusatzerkl­ärung, mit der Bedenken Ungarns und Polens Rechnung getragen würde.

Im Eu-parlament versichern die Befürworte­r der Sanktionen jetzt mit großem Nachdruck, die neuen Sanktionsm­öglichkeit­en richteten sich keineswegs gezielt gegen die Regierunge­n in Warschau und Polen. Auch bei anderen Ländern wie Malta, Griechenla­nd oder Rumänien müsse jetzt genauer hingeschau­t werden.

Blockieren mit ihrem Veto den langfristi­gen Eu-haushalt und die Corona-hilfen: Viktor Orban, der Premiermin­ister von Ungarn (links), Mateusz Morawiecki, der Premiermin­ister von Polen.

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Foto: Michael Bahlo/dpa Bei einer „Querdenken“-demonstrat­ion protestier­ten die Teilnehmer gegen die Anti-corona-maßnahmen.
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