E-mail-flut im Bundestag
Vor der heute geplanten Verabschiedung des geänderten Bevölkerungsschutzgesetzes hat eine E-mail-flut die Computertechnik des Bundestages offenbar an den Rand der Belastbarkeit gebracht. Zehntausende Mails fluteten die E-mail-postfächer der Abgeordneten.
Täglich seien seit dem vergangenen Mittwoch 500 Mails und verstärkt auch Anrufe eingegangen, berichtete ein Mitarbeiter aus dem Büro von Linken-fraktionschef Dietmar Bartsch. Darin war davon die Rede, der Bundestag wolle angeblich ein Ermächtigungsgesetz verabschieden, das die Demokratie außer Kraft setze. Es wurde gefordert, dem Gesetz nicht zustimmen. „Unser Eindruck ist, dass es sich nicht um Einheitsmails handelt“, sagte der Mitarbeiter. Es seien auf den ersten Blick tatsächlich sehr verschiedene Schreiben. Die Partei will dem Gesetzentwurf der Regierungskoalition ohnehin nicht zustimmen.
Auch auf der anderen Seite des politischen Spektrums sorgte die E-mail-flut für Belastungen. Der sozialpolitische Sprecher der AFD, René Springer, erklärte: „Bereits mit Stand Freitag habe ich 600 Mails beantwortet.
So viele Zuschriften in so kurzer Zeit zu einem Thema habe ich in meinen dreieinhalb Jahren im Bundestag noch nicht erlebt.“Zwar kämen manchmal viele Mails, die auf Kampagnen von Verbänden oder Aktivisten zurückgingen. Dies seien dann aber häufig standardisierte Texte. „Das ist beim Thema Bevölkerungsschutzgesetz anders, da sind diesmal viele individuelle Mails mit dabei.“
Auch gleichlautende Schreiben
Einen anderen Eindruck vermittelte Csu-landesgruppenchef Alexander Dobrindt, bei dem bis Dienstagmorgen 37 000 Mails eingingen, wie er berichtete. Die meisten dieser Schreiben seien gleichlautend oder enthielten identische Textstellen, erklärte er. Das gleiche Muster zeigte sich auch in Schreiben an die Grünen-fraktion. Meist äußerten sich die Autoren beängstigt, dass die Demokratie abgeschafft werden solle und baten, dem Gesetz nicht zuzustimmen, schilderte ein Sprecher. Allein seit Freitag trafen bei den Grünen 25 000 Mails ein.
In der FDP wurde man von den Massen ebenfalls überrascht. Bei Fraktions-vizechef Stephan Thomae gingen von
Freitag bis Montag mehrere hundert Mails ein. Täglich zähle man in der Fraktion Mails im hohen dreistelligen Bereich, sagte ein Sprecher. In der Unionsfraktion kamen wichtige Mails nicht oder nur verzögert an.
In manchen Schreiben ist neben einem Appell zu einem „Nein“bei der Abstimmung auch die Rede von einer „Anklage“aus „göttlicher Pflicht“gegen Regierungsmitglieder wie die Bundeskanzlerin und ihre Minister, gegen weitere Politiker sowie Leiter zahlreicher internationaler Organisationen wie der Weltbank oder globale Unternehmen.
Offenbar sind die ungewöhnlich vielen Mails dafür verantwortlich, dass die Computer-server des Bundestags nicht mehr ordnungsgemäß funktionieren. „Wir können bestätigen, dass es seit mehreren Tagen zu Mail-verzögerungen kommt“, teilte eine Sprecherin der Bundestagsverwaltung mit. Man arbeite an der Behebung der Probleme.
Abgeordnete berichteten zudem von zahlreichen Anrufen. Frank Junge (SPD) berichtete, bei seinen telefonischen Bürgersprechstunden habe das Thema zuletzt alles überlagert. „Aus diesen Anfragen sind mehrere, oft stundenlange Telefonate resultiert, die sich über das gesamte Wochenende erstreckt haben“, sagte er.
Die inzwischen schon dritte Auflage des Bevölkerungsschutzgesetzes in diesem Jahr soll gesetzlich den Rahmen dafür festlegen, welche konkreten Maßnahmen die Behörden im Falle einer Pandemie ergreifen dürfen. Dagegen regte sich auch innerhalb des Parlaments Widerspruch. Alle Oppositionsparteien haben Änderungsanträge eingereicht.
Vor dem Reichstag und dem Bundesratsgebäude hatten für Mittwoch mehrere Initiativen Demonstrationen mit mehreren tausend Teilnehmern angemeldet. Am Abend untersagte das Bundesinnenministerium zwölf Veranstaltungen im sogenannten befriedeten Bezirk. Bei den Teilnehmern sei zuvor dafür geworben worden, während der Proteste den Zugang zu den Gebäuden zu blockieren, hieß es zur Begründung. CSU-MANN Alexander Dobrindt betonte, Parlamentarier müssten ungehinderten Zugang zu den Gebäuden haben. Es wäre „ein mehr als kritischer Vorgang, wenn die Abgeordneten zur Abstimmung den Plenarsaal nicht erreichen könnten“, sagte er.