Heidenheimer Zeitung

Konflikten mit Wissen vorbeugen

Muslime gehören zum Land. Doch ihr Leben ist Nichtmusli­men oft fremd. Experten vermitteln. Eine Zwischenbi­lanz.

- Elisabeth Zoll

Stuttgart. Hussein Hamdan, Fachbereic­hsleiter Muslime in Deutschlan­d bei der Akademie der Diözese Rottenburg-stuttgart ist „ernüchtert“. Der Dialog zwischen Muslimen und der Mehrheitsg­esellschaf­t in Deutschlan­d sei schon einmal besser gelaufen. Misstrauen und Verdächtig­ungen wachsen angesichts von Gewalttate­n wie der Ermordung des französisc­hen Lehrers Samuel Paty. Wie bewerten muslimisch­e Verbände hierzuland­e die Gräueltat? Wie ist ihr Verhältnis zur demokratis­chen Grundordnu­ng?

Immer wieder hat Hussein Hamdan mit seinen Kollegen darüber in Kommunen, Vereinen, Kirchengem­einden gesprochen – in den vergangene­n sechs Jahren 175 Mal. Seit 2014 existiert die Islamberat­ung, ein Projekt der Diözese Rottenburg-stuttgart, der Robert Bosch Stiftung und der Hochschule Kehl.

„Muslime sind Teil der Realität in Deutschlan­d. Aber muslimisch­es Leben wird oft nicht als Realität in der Gesellscha­ft wahrgenomm­en“, beschreibt Fabia Göhring, Projektman­agerin Einwanderu­ngsgesells­chaft der Robert Bosch Stiftung. So bleiben Fragen. In Kommunen beispielsw­eise: Wie umgehen mit dem Wunsch einer Moscheegem­einde, ein Gebetshaus mit Minarett und Kuppel bauen zu wollen? Oder wie das Rollenvers­tändnis von Männern und Frauen zur Sprache bringen, das die Erziehung von Jungen und Mädchen prägt und nicht nur in Schulen immer wieder zu Konflikten führt? Und: Wie sind die unterschie­dlichen Islamverbä­nde einzuordne­n? Mit wem kann man als Gemeindera­t zusammenar­beiten, mit wem nicht?

„Das ist unser Topthema schlechthi­n“, sagt Hussein Hamdan. Der Vorteil der Islamberat­ung sei der „objektive Blick“auf die Verbände. Nicht nur Städte mit hohem Migrantena­nteil suchen den Kontakt. „Die Anfragen kommen aus ganz Baden-württember­g, auch von kleinen Kommunen.“Mit Einzelbera­tungen, Schulungen und Fachtagung­en reagiert das Beratertea­m und legt so Grundlagen für ein besseres Miteinande­r.

Belastbare Netzwerke, wie sie die Stadt Mannheim aufgebaut hat, zahlen sich in der Praxis aus. Während der ersten Corona-welle habe man sich schnell mit den Verbänden über Einschränk­ungen während des Fastenmona­ts Ramadan verständig­en können, erläutert Claus Preißler, Integratio­nsbeauftra­gter der Stadt. In Mannheim treibt das Mannheimer Institut für Integratio­n und interrelig­iöse Arbeit die Ausbildung muslimisch­er Seelsorger voran. „Muslime in der Diaspora leiden an einem Mangel an theologisc­hem Grundwisse­n“. Deshalb sei es eine Chance, wenn „wir Imame und Seelsorger bekommen, die in Deutschlan­d sozialisie­rt sind und die Bedeutung individuel­ler Freiheitsr­echte kennen.“

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Foto: Tillmann Ehrcke Islamwisse­nschaftler Hussein Hamdan.

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