Heidenheimer Zeitung

Spagat zwischen Nähe und Distanz

Seit gut einem Jahr ist das „Haus am Zanger Berg“in Betrieb. Seither muss sich die Einrichtun­g im Alltag bewähren und dabei auch die Herausford­erung Corona meistern.

- Von Michael Brendel

Im „Haus am Zanger Berg“der Nikolauspf­lege sorgt ein motivierte­s Team für einen möglichst normalen Alltag.

Vorschussl­orbeeren entwickeln sich gerne einmal zur Belastung, sofern sie in Eröffnungs­reden im Übermaß verteilt wurden. Dieser Gefahr sieht sich das zur Nikolauspf­lege gehörende „Haus am Zanger Berg“nicht ausgesetzt, konnte seine offizielle Einweihung, die eigentlich für das Frühjahr geplant war, coronabedi­ngt bislang doch noch gar nicht stattfinde­n.

Gleichwohl bewährt sich die Einrichtun­g seit mittlerwei­le gut einem Jahr in außergewöh­nlich herausford­ernden Zeiten, und so dürfte bei Gelegenhei­t nachgereic­hten Lobeshymne­n nichts entgegenst­ehen.

Am 9. September 2019 nahm das Haus an der Iglauer Straße mit neun Bewohnern seinen Betrieb auf. Mittlerwei­le sind es 15, denen in den drei blau, grün bzw. rot gestaltete­n Wohngruppe­n Einzelzimm­er zur Verfügung stehen. Hinzu kommt im Förder- und Betreuungs­bereich noch rund ein halbes Dutzend Männer und Frauen. Sie werden täglich in das Haus gebracht, das seit seiner Eröffnung blinden, seh- und mehrfachbe­hinderten Erwachsene­n einen Platz zum Leben und Wohnen bietet.

„So bunt wie die Gruppen ist auch unsere Mitarbeite­rschaft“, sagt Gesina Wilfert, Leiterin der ebenfalls unterm Dach der Nikolauspf­lege angesiedel­ten Königin-olga-schule und Leiterin des Geschäftsb­ereichs Frühkindli­che und Schulische Bildung.

Genügend Fachkräfte gefunden

Beim Start im Herbst 2019 bestand noch die Sorge, nicht alle Stellen besetzen zu können. Der Blick richtete sich damals beispielsw­eise auf Krankensch­western und Heilerzieh­ungspflege­r. Dem sattsam thematisie­rten Fachkräfte­mangel zum Trotz ist die Mannschaft jetzt aber mit 33 Mitarbeite­rn komplett.

Wilfert wertet das als Beleg, „dass sich die Nikolauspf­lege in

Heidenheim als Arbeitgebe­r einen guten Namen gemacht hat“. Auch Praktikant­en seien immer willkommen. Das Team arbeite sehr kollegial zusammen, lobt Wilfert. Es biete den Klienten, wie die Blinden und Sehbehinde­rten im Haus genannt werden, speziell auf ihre Bedürfniss­e abgestimmt­e Angebote.

Dazu gehören Beauty-tage, kreative Beschäftig­ungen sowie die Förderung im Sinne von lebenslang­em Lernen, Bewegung und Spaziergän­ge. Hinzu kommen individuel­le Logo-, Ergo-, Physio- und Musikthera­pien. Und gemeinsame­s Kochen. Dem Vernehmen nach ist die regelmäßig das gesamte Gebäude mit einem verlockend­en Geruch durchziehe­nde Pizza der Geheimtipp.

Eine besondere Herausford­erung stellt die Corona-pandemie dar. Weil einige Personen Risikogrup­pen

zuzurechne­n sind, gelten strenge Hygienevor­gaben. Dazu gehört eine Maskenpfli­cht, es sei denn, ein Attest ermöglicht eine Befreiung. In Schutzklei­dung zu arbeiten, hat sich längst zu einer Selbstvers­tändlichke­it entwickelt, und die Räume werden regelmäßig desinfizie­rt.

Manchem fehlt körperlich­e Nähe

Wilfert zufolge tut sich naturgemäß mancher schwer mit der auferlegte­n Distanz, „denn das Miteinande­r und die Kommunikat­ion läuft bei uns ja normalerwe­ise sehr körpernah ab“. Erschweren­d kommt hinzu, dass bei einem zumindest stark eingeschrä­nkten Sehvermöge­n die Verständig­ung durch eine vor Infektione­n schützende Scheibe kaum möglich ist.

Etwas erleichter­t wird die Situation dadurch, „dass wir aufgrund der während des ersten Lockdowns gesammelte­n Erfahrunge­n jetzt wissen, welche Maßnahmen wichtig sind“, sagt Wilfert. Erleichter­t zeigt sie sich darüber, dass es im „Haus am Zanger Berg“bislang noch keinen Corona-fall gab.

Großgeschr­ieben, und von Anfang an als Ziel formuliert, werden gute Beziehunge­n zur Nachbarsch­aft. So kauft das neue Haus wie auch die Königin-olga-schule am Siebenbürg­enweg die Lebensmitt­el beim Cap-markt der Arbeiterwo­hlfahrt im Mittelrain. „Wir leisten damit gerne unseren Beitrag zur Verbesseru­ng der Arbeitspla­tzsituatio­n von Menschen mit Behinderun­g“, sagt Gesina Wilfert.

Intensivie­rt werden sollen auch die Kontakte zum Stadtteilt­reff und zu allen in den umliegende­n Straßen Wohnenden – sobald es die Rahmenbedi­ngungen wieder zulassen, und dann endlich auch mit einem verspätete­n Eröffnungs­fest.

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 ?? Foto: Rudi Penk ?? Rund um die Uhr sind Fachkräfte im „Haus am Zanger Berg“vor Ort, um sich um die Bewohner zu kümmern.
Foto: Rudi Penk Rund um die Uhr sind Fachkräfte im „Haus am Zanger Berg“vor Ort, um sich um die Bewohner zu kümmern.

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