Sprache verliert nichts
Viele Sachen sind lnngst vergessen, aber die Sprüche dazu gibt es immer noch: Das Museum in Weinheim zeigt – derzeit virtuell – eine Ausstellung zur Geschichte von Redensarten. Von Martin Ebner
Mit Volldampf voraus ins neue Jahr! Im Bahnhof sind schwarze Rauchwolken schon lange so rar wie Lokomotiven mit Kohlebefeuerung. Auf dem Papier von Verlautbarungen wird aber immer noch gern und oft Dampf gemacht, womöglich gar für mehr Klimaschutz. Zumindest werden für die Zukunft die Weichen gestellt. Oder wenigstens die Signale auf
Grün. Abgewetzte Phrasen haben den Vorteil, dass man nicht groß darüber nachdenken muss: Das sagt man halt so.
Wie einsame Soldaten stehen Sprachkritiker auf verlorenem Posten, wenn Redewendungen in Fleisch und Blut übergangenen sind. Sie können über Binsenweisheiten spotten, abgedroschene Floskeln ankreiden, Gemeinplätze oder
hirnlose Klischees beklagen – alle Vorhaltungen laufen ins Leere.
Was eine Sprache im Laufe der Jahrhunderte alles an bildhaften Ausdrücken, Schrullen und festen Wortverbindungen aufgesaugt hat, das gibt sie freiwillig nicht mehr her. Selbst Parodien vermögen daran nichts zu ändern: Trauring,
aber wahr.
40 Alltagsgegenstände
Immerhin ist die deutsche Sprache gut 1000 Jahre alt, da schleift sich viel ein. Das Stadtmuseum in Weinheim hat für eine kleine Ausstellung rund 40 Gegenstände zusammengestellt, die früher einmal alltäglich waren und in Redensarten verewigt wurden. Sprachlich lebt sogar das Mittelalter weiter, selbst wenn längst keine gepanzerten Ritter mehr aufeinander krachen. Junge Anwälte zum Beispiel können sich mit geharnischten Briefen ihre ersten Sporen verdienen, falls nicht die Gegner bereits einen Angriff im Schilde führen.
Mit althergebrachten Ausdrücken aus Landwirtschaft und Handwerk kann die Generation Smartphone oft nicht mehr viel anfangen: Kuhhäute werden bloß noch selten zu Pergament verarbeitet und beschrieben, Zugpferde müssen sich
kaum mehr ins Zeug legen oder an die
Kandare genommen werden, Spinnerinnen nicht alle Fäden in der Hand behalten, Schuster bei ihren Leisten bleiben, Indigo-färber zum Trocknen ihrer Tücher keinen blauen Montag abwarten und Gerber nicht mehr aufpassen, dass ihnen nicht die Felle davonschwimmen. Obwohl Mauern nun eher mit Laser als mit Senkblei ausgerichtet werden, kann man aber immer noch jemanden in den Senkel stellen.
Nicht immer gehen Redewendungen auf die Arbeitswelt und Erfahrungen vergangener Tage zurück. Manche geflügelte Worte wurden auch von einzelnen Autoren in Umlauf gebracht. Das A und O der von Martin Luther übersetzten Bibel war jahrhundertelang Pflichtlektüre. Den Fabeln von La Fontaine verdanken wir wenig hilfreiche Bärendienste, aber auch voreilige Milchmädchenrechnungen. Zahlreiche berühmte Zitate stammen aus der Feder von Friedrich Schiller, etwa langer
Rede kurzer Sinn und früh übt sich, was ein Meister werden will, aber auch der
Fluch der bösen Tat oder ein kluger Mann baut vor. In seinem Drama „Wallenstein“legte Schiller einem Oberst „Ich hab‘ hier
bloß ein Amt und keine Meinung“in den Mund. Der Poet hielt wohl nicht viel vom Gerede der Autoritäten.
Info Die Ausstellung „Das geht auf keine Kuhhaut! – Vom Ursprung deutscher Redensarten“ist vorerst nur im Internet zu sehen.
Das Museum der Stadt Weinheim hat auch den Katalog dazu online gestellt: www.museum-weinheim.de/sonderausstellungen.html
Ein umfangreiches Wörterbuch für Redewendungen ist hier zu finden: www.redensarten-index.de