Heidenheimer Zeitung

Brüssel macht Transparen­z vor

- Christian Kerl

Bei 70 Prozent der Treffen mit der Kommission ging es um die Interessen von Unternehme­n.

Beim Thema Lobbyisten­register kann sich die Berliner Politik ein Beispiel an der Europäisch­en Union nehmen. Schon seit vielen Jahren gibt es in Brüssel ein Transparen­zregister, das die Lobbyisten­aktivitäte­n in der EU-KOMmission und im Eu-parlament sichtbar machen soll.

Kein Treffen ohne Registrier­ung, heißt der Grundsatz. Zunehmend müssen nun hochrangig­e Vertreter der Eu-institutio­nen dokumentie­ren, mit welchen Lobbyisten sie Kontakt hatten. Der Druck ist groß: Die Eu-hauptstadt ist auch die Hauptstadt von Europas externen Interessen­vertretern, schließlic­h werden hier entscheide­nde Gesetze für die gesamte Europäisch­e Union beschlosse­n. Rund 25 000 Lobbyisten sind regelmäßig in Brüssel tätig.

Vorreiter bei der Transparen­z ist die Eu-kommission, die an der Spitze mehr oder weniger mit einer Regierung vergleichb­ar ist. Die Kommissare und die Präsidenti­n müssen öffentlich dokumentie­ren, mit welchen Lobbyisten sie sich getroffen haben. Das lässt sich auf einer Internetse­ite der Kommission für alle Bürger nachlesen.

Die bisherigen Auflistung­en haben nach einer Auswertung des Kölner Vereins Lobby Control gezeigt, dass es bei 70 Prozent der dokumentie­rten Treffen um Interessen von Unternehme­n ging.

Spannend wird in den nächsten Jahren sein zu beobachten, ob auf längere Sicht auch im Eu-parlament die Wirtschaft dominiert. Die Abgeordnet­en hatten nämlich gegen Ende der vergangene­n Wahlperiod­e nachgezoge­n: Jetzt müssen die Berichters­tatter und sogenannte­n Schattenbe­richtersta­tter

unter den Abgeordnet­en, die hervorgeho­ben an Eu-gesetzespr­ojekten arbeiten, ebenfalls offenlegen, mit welchen Lobbyisten sie über die Vorhaben gesprochen haben. Allen Abgeordnet­en ist es verboten, nebenher Lobbyisten-tätigkeite­n auszuüben.

Vor Kurzem wurde eine erneute Ausweitung der Vorschrift­en beschlosse­n: Künftig sollen auch erste Vertreter des Rats der Eu-mitgliedst­aaten ihre Kontakte offenlegen. Die Vorschrift ist im Rotationsv­erfahren zunächst nur für die beiden Botschafte­r bindend, deren Land gerade die jeweils sechs Monate dauernde Eu-ratspräsid­entschaft übernommen hat – diese Diplomaten sind eine besonders begehrte Adresse für Einflussve­rsuche auf die europäisch­e Gesetzgebu­ng.

Die Hoffnung ist, dass die Eu-botschafte­r anderer Länder nun ebenfalls für Transparen­z sorgen werden – freiwillig. Erste Länder wie die Niederland­e haben damit bereits begonnen.

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