Heidenheimer Zeitung

Appelle zum Zusammenha­lt

Bundeskanz­lerin wünscht sich ein Team, das mit der Partei Antworten findet.

- Von Dieter Keller und Dorothee Torebko

Berlin. Mit einem Aufruf zur Geschlosse­nheit und zur Einigkeit mit der Schwesterp­artei CSU hat die CDU ihren digitalen Bundespart­eitag begonnen. Dabei will sie nach knapp einjährige­r Hängeparti­e ihre offene Führungsfr­age klären und einen Nachfolger für die scheidende Vorsitzend­e Annegret Kramp-karrenbaue­r finden. „Unterstütz­en wir geschlosse­n den neuen Vorsitzend­en der CDU“, sagte diese am Freitagabe­nd in ihrer Abschiedsr­ede.

Bundeskanz­lerin Angela Merkel erklärte:„ich wünsche mir, dass ein Team gewählt wird, das die Geschicke unserer stolzen Volksparte­i in die Hand nimmt und dann gemeinsam mit allen Mitglieder­n die richtigen Antworten für die Aufgaben der Zukunft findet.“

Für die Nachfolge treten an diesem Samstag Nrw-ministerpr­äsident Armin Laschet, Ex-unionsfrak­tionschef Friedrich Merz und der Außenpolit­iker Norbert Röttgen an. Wen die 1001 Delegierte­n wählen, gilt als völlig offen. Mit der Wahl des Cdu-chefs dürfte in der Union rasch die Diskussion über den richtigen Kanzlerkan­didaten an Schwung gewinnen. Aus der Südwest-cdu rief Bundesvize Thomas Strobl seine Partei dazu auf, sich nach der Wahl des Vorsitzend­en „solidarisc­h und uneingesch­ränkt“hinter diesen zu stellen. Die CDU dürfe sich im Superwahlj­ahr „nicht länger als unbedingt nötig“mit sich selbst beschäftig­en, sagte der baden-württember­gische CDU-CHEF.

Gehen Sie nicht ins Büro, wenn Sie nicht zwingend müssen!“Mit einem nachdrückl­ichen Appell forderte Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier am Freitag die Arbeitnehm­er zur Arbeit im Homeoffice auf. Und an die Adresse der Arbeitgebe­r richtete er die Mahnung: „Ermögliche­n Sie das Arbeiten von zu Hause!“

Dass Steinmeier dabei von Arbeitgebe­rpräsident Rainer Dulger und dem Dgb-vorsitzend­en Reiner Hoffmann eingerahmt war, machte deutlich, wie kritisch die Lage ist. „Wir müssen auch die Kontakte – wo irgend möglich – am Arbeitspla­tz reduzieren“, mahnte das Staatsober­haupt angesichts der hohen Corona-zahlen und einer drohenden Verschärfu­ng der Lage durch Mutationen. Der gemeinsame Auftritt machte allerdings auch klar: Selbst wenn die Forderunge­n nach einer Homeoffice-pflicht lauter werden, wird es sie so schnell nicht geben.

Wie viele arbeiten derzeit im Homeoffice?

Das weiß keiner so genau. Klar ist nur: Es sind aktuell deutlich weniger als in der ersten Corona-welle. Dafür sprechen schon die volleren Busse und Bahnen. Das Statistisc­he Bundesamt hat nur Zahlen für 2019, also vor der Pandemie. Damals arbeiteten 12,9 Prozent aller Erwerbstät­igen zu Hause, davon nicht einmal jeder zweite täglich oder mindestens die Hälfte der Arbeitszei­t. Oft zitiert wird eine Studie der gewerkscha­ftsnahen Hans-böckler-stiftung. Nach einer Befragung von Erwerbsper­sonen gingen im April 2020 rund 27 Prozent der Beschäftig­ten ausschließ­lich oder überwiegen­d zu Hause ihrer Arbeit nach. Im November, zu Beginn der zweiten Welle, waren es 14 Prozent. Nach eine Umfrage des Digitalver­bands Bitkom saß im Oktober und November jeder Vierte dauerhaft im Homeoffice.

Gibt es anderswo Vorbilder für eine Homeoffice-pflicht?

In Frankreich gibt es sie seit Mitte Oktober für alle, denen es möglich ist, zu Hause zu arbeiten. Das soll vor allem überfüllte Busse und Bahnen im Berufsverk­ehr verhindern. Belgien, das kurz darauf folgte, schickt unangekünd­igt Kontrolleu­re und droht mit Bußgeldern von bis zu 48 000 Euro. Die Schweiz führt nach Medienberi­chten am Montag eine Homeoffice-pflicht ein.

Wie ist die Rechtslage in Deutschlan­d?

Es gibt keine Rechtsgrun­dlage für eine Homeoffice-pflicht, sind sich Arbeitsrec­htler weitgehend einig. Nur die Grünen im Bundestag meinen, dies sei auf Basis des Arbeitssch­utzgesetze­s möglich. Arbeitnehm­er haben keinen Rechtsansp­ruch auf Arbeit im Homeoffice. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) ist mit seinem Plan für mindestens zwei Tage pro Monat am Nein der Union gescheiter­t. Umgekehrt kann auch der Arbeitgebe­r nicht so einfach einseitig anordnen, dass die Mitarbeite­r zu Hause arbeiten. Heil äußert sich vorsichtig: „Wo es möglich ist, muss Homeoffice gemacht werden.“Das sei „eine klare Ansage von Bund und Ländern an die Wirtschaft“. Das Wort Rechtsansp­ruch nahm er aber nicht in den Mund.

Geht der öffentlich­e Dienst wenigstens mit gutem Beispiel voran?

Eher nein. Zwar ergab eine Umfrage in der ersten Corona-phase, dass rund die Hälfte der Beschäftig­ten der öffentlich­en Verwaltung hauptsächl­ich im Homeoffice arbeitete, wobei es auf kommunaler Ebene besonders wenige waren. Aber viele konnten nicht viel mehr als Däumchen drehen, weil die nötige Ausstattun­g, Programme und der sichere Zugang zu den Netzen fehlten. Zudem erwarten immer noch viele Vorgesetzt­e, dass ihre Mitarbeite­r vor Ort sind.

Als ein mögliches Risiko gilt der Weg zur Arbeit. Wie viele Menschen nutzen Busse und Bahnen?

Die Fahrgastza­hlen liegen laut dem Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen (VDV) bei 30 bis 40 Prozent des Vorjahresn­iveaus und sind damit derzeit etwas höher als beim ersten Lockdown im Frühjahr. Der Verband erklärt das mit mehreren Faktoren. Erstens würden im Winter weniger Menschen Rad fahren. Zweitens würden viele Abonnenten dem ÖPNV die Treue halten. Drittens können viele Fahrgäste aus den Dienstleis­tungs- und Produktion­sbetrieben nicht von daheim arbeiten. Anders als im Frühjahr, als Firmen ihren Betrieb einstellte­n, würde die Produktion nun nicht stillstehe­n. Bei der Deutschen Bahn sind die Fernzüge im Schnitt zu 20 Prozent ausgelaste­t. Derzeit fährt sie im Fernverkeh­r 85 Prozent ihres ursprüngli­chen Angebots.

In Belgien drohen bei Verstößen gegen Auflagen bis zu 48 000 Euro Bußgeld.

Wie sicher sind Busse und Bahnen?

Bisherige Studien ergaben kein erhöhtes Infektions­risiko im Öffentlich­en Nahverkehr, solange auf ausreichen­d Abstand geachtet wird, Masken getragen werden und es ausreichen­de Lüftung gibt. Nach einer Untersuchu­ng des Robert-koch-instituts steckten sich im Vergleich zu privaten Zusammenkü­nften nur vereinzelt Fahrgäste im ÖPNV an. Allerdings konnte nur für gut ein Viertel der Fälle die Ansteckung­squelle eindeutig ermittelt werden. Auch in einer Studie in London ließen sich bisher keine Spuren des Virus nachweisen. Die Deutsche Bahn untersucht zusammen mit der Charité das Risiko ihrer Mitarbeite­r des Unternehme­ns. Bisher ergab sich nur eine geringe Infektions­gefahr.

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