Plexiglaskugel für U-boote
Mit den Tauchkugeln des Herbrechtinger Kunststoff-spezialisten Heinz Fritz geht es nun hinunter auf 2300 Meter Tiefe. Die Herstellung dauert ein halbes Jahr. Das erste Exemplar wird an ein Forschungsschiff geliefert.
Die Firma Fritz setzt weltweit Maßstäbe
Der französische Schriftsteller Jules Verne war ein Weltreisender und Visionär, der in Gedanken über die Grenzen des Machbaren hinwegstieg – und abtauchte. In seinem Roman „20 000 Meilen unter dem Meer“geht es um Abenteuer, um Wissenschaft und die Frage, inwieweit gewonnene Erkenntnisse zum Nutzen der Menschen umgesetzt werden können. Träume und Überlegungen wie diese treiben auch den Unternehmer Heinz Fritz um. Seit vielen Jahren lotet er in seinem Betrieb in Herbrechtingen die Grenzen von Acrylglas aus. Gemeinsam mit seinem Sohn Jakob Sixl und dem gesamten Team setzt er Projekte um, die weltweit Aufsehen erregen. „Man hat mir den Spitznamen Plexiglas-papst verpasst“, sagt Heinz Fritz und zuckt lachend mit den Schultern. „Dabei ist das alles kein Wunderwerk. Es gibt eine Herausforderung und wir suchen die adäquate Lösung. Für mich ist das die pure Logik.“
Meilenstein in der Branche
Plexiglas ist ein Kunststoff mit vielen nützlichen Eigenschaften: Er ist transparent, witterungsbeständig, formbar und gleichzeitig ungemein bruchfest. Anwendung findet er in vielen Bereichen des Lebens, unter anderem in der Automobilindustrie, in der Medizintechnik und im Sicherheitsbereich. Mit dem Beginn der Fertigung eines fünf Tonnen schweren Kugeldruckkörpers für U-boote haben Heinz Fritz und sein Experten-team zum Jahresende 2020 einen weiteren Meilenstein in der Branche gesetzt. Dafür wurden zwei jeweils 40 Zentimeter dicke Plexiglas-blöcke über viele Tage hinweg in einem eigens für solche Zwecke entwickelten Ofen erhitzt, in Form gebracht und schonend heruntergekühlt. Diese thermische Umformung ist in ihrer Dimension bisher weltweit einzigartig.
Anschließend wurden die beiden Halbkugeln gefräst und miteinander vergossen. Abschließend müssen die Oberflächen innen wie außen geschliffen und poliert werden – fertig! „Jeder einzelne Arbeitsschritt dauert Wochen oder sogar Monate. Wir müssen darauf achten, dass keine Sollbruchstellen entstehen. Es dürfen sich beim Vergießen keine Luftblasen bilden und die Wanddicke muss überall exakt gleich sein. Insgesamt wird die Herstellung dieser Kugel ein halbes Jahr in Anspruch nehmen“, erklärt der Unternehmer.
45 000 Tonnen Druck
Weil in der riesigen Tauchkugel bis zu drei Passagiere Platz nehmen können, muss eine Vielzahl an Vorschriften eingehalten werden. Unter anderem wird sie in einer Prüfdruckkammer mehrfach der späteren Belastung ausgesetzt. Mit Sauerstofftank und Antriebsmotoren ausgestattet, werden nun Erkundungsfahrten in bis zu 2,3 Kilometern Tiefe möglich. Die Wanddicke beträgt 33 Zentimeter und hält einem Druck von rund 45 000 Tonnen stand. Wohlhabende Privatpersonen aus aller Welt haben bereits Interesse bekundet. Mit den Vorgänger-modellen war „nur“eine
Tauchtiefe von 1000 Metern zu erreichen, nun können die Käufer mit Familie und Freunden zu vermeintlich noch aufregenderen Abenteuern aufbrechen. Auch die Industrie verspricht sich einen Mehrwert vom neuesten Produkt aus dem Hause Fritz. In manchen Branchen gibt es in dieser Tiefe viel zu tun. Mit diesem U-boot ergeben sich neue Möglichkeiten.
Heinz Fritz: „Dass wir Unmögliches möglich machen, ist der Lohn für die Vorarbeit, die wir in all den Jahren geleistet haben. Unter anderem sind wir Spezialisten im Bau von Pools und Großaquarien.“Alle Erfahrungswerte und all das Wissen, das sich über die Zeit angehäuft habe, werden in einer eigenen Datenbank verwaltet und ermöglichen durch digitale Vernetzung Fortschritt: „Diese Datenbank ist unbezahlbar.“
Viel Aufwand beim Material
Viel zum Erfolg habe auch die Zusammenarbeit mit dem Plexiglas-hersteller Röhm beigetragen. Als Mittelständler einen Konzern zu überzeugen, sei mit die schwierigste Aufgabe der gesamten Entwicklung gewesen. Immer größere, immer dickere Blöcke habe er für seine ungewöhnlichen Aufträge gebraucht, berichtet Heinz Fritz, Einzelanfertigungen, viel Aufwand, oft wenig Verständnis. Schritt für Schritt habe man sich angenähert. Die Materialbeschaffung für die gigantische Tauchkugel habe dennoch eine noch nie dagewesene Dimension erreicht. Der Rohblock hatte die Maße 3800 auf 3800 auf 400 Millimeter und war etwa sechs Tonnen schwer: „So viele Jahre habe ich darauf hingearbeitet, nun werde ich mit meinen Anliegen ernst genommen.“
Dass bei der Firma Fritz öfter mal mit solchen Dimensionen jongliert wird, verdeutlicht ein Gang durch die Produktionshallen am Grundweg. Die größte Fräsmaschine
beispielsweise misst fünf auf 20 Meter und kann über fünf Achsen angesteuert werden. So ist es möglich, ein Werkstück von allen Seiten zu bearbeiten. Trotz aller Denkleistung und Erfahrung gebe es bei neuen Projekten immer wieder mal auch Rückschläge. Beeindrucken, so Fritz, lasse er sich davon freilich nicht. „In Sachen Tauchkugel ist die Titanic-tiefe mit circa 3800 Metern das Ziel.“15 000 Fuß oder zirka 4500 Meter ist die maximal mögliche Tiefe mit Plexiglas. Eine derartige Kugel würde dann sieben Tonnen wiegen und hätte eine Wanddicke von 450 Millimeter. Vorversuche hierzu hätten die Machbarkeit bereits bestätigt.
Für ein Forschungsschiff
Die erste Kugel mit der neuen Tauchtiefe von 2300 Metern wird in einigen Monaten an das weltweit größte Forschungsschiff „REV Ocean“des Norwegers Kjell Inge Røkke geliefert. Heinz Fritz blickt auf eine fertige Kugel, die aktuell zum Abtransport bereitsteht. Die Faszination ist ihm ins Gesicht geschrieben.