Heidenheimer Zeitung

Lebenshilf­e

Die Corona-pandemie hat mit speziellen Regelungen Auswirkung­en auf den Alltag und die Arbeit von Behinderte­n. Die Impfbereit­schaft ist sehr hoch.

- Von Marc Hosinner

So hart trifft Corona die Behinderte­n

Trennschei­ben, Masken und Abstand: In vielen Produktion­sstätten werden, um den Betrieb in Corona-zeiten aufrecht zu halten, diese Vorkehrung­en getroffen. So auch in der Werkstatt der Lebenshilf­e im Ried. Doch damit ist es, wie in anderen Betrieben, lange nicht getan. „Nichts läuft so wie gewohnt“, sagt Lebenshilf­e-geschäftsf­ührer Kurt Wörrle.

90 Menschen mit den unterschie­dlichsten Handicaps arbeiten im Betrieb an der Siemensstr­aße im Osten der Stadt. Eingeteilt waren sie nach Eignung, Leistungsf­ähigkeit und persönlich­en Präferenze­n. Nach diesem System produziert­e die Lebenshilf­e Teile für Firmen aus der Region: Für die BSH etwa, für Hauff oder auch Gardena/husquarna.

Die Corona-pandemie hat dieses bewährte System jedoch gesprengt: Im März des vergangene­n Jahres, während des ersten Lockdowns musste die Werkstatt zunächst für 40 Tage schließen, dann gab es Teilöffnun­gen. Im Juli ging es zurück in den Vollbetrie­b.

Arbeiten in Kohorten

Gearbeitet werde jetzt, so Wörrle, aber in anderen Gruppen wie zuvor. „Wir mussten Kohorten bilden und die ursprüngli­chen Teams trennen. Jetzt haben wir drei größere Gruppen“, so der Geschäftsf­ührer. Eine Gruppe wird aus Mitarbeite­rn gebildet, die zu Hause wohnen, das sind 43 Männer und Frauen. Die zwei anderen Gruppen setzen sich aus Bewohnern der beiden Heime in Giengen zusammen. Vermischun­gen darf es jetzt keine mehr geben. Aus den Gruppen heraus werden dann wiederum kleinere Teams gebildet.

Diese Art der Einteilung habe natürlich Auswirkung­en auf die Produktivi­tät und damit auch auf den Umsatz, der gesunken sei. Während des ersten Lockdowns sei zudem der Vertrag mit einem Partner ausgelaufe­n, ein Nachfolger sei nicht gefunden worden. „Die Verträge werden so weit wie möglich erfüllt“, so Wörrle.

Für die Behinderte­n selbst sei die Corona-situation nicht gut. „Sie leiden drunter, tragen alle Veränderun­gen aber mit und gehen die Situation mit Pragmatism­us an“, sagt der Geschäftsf­ührer.

Wobei nicht jeder ganz genau verstehe, warum die Situation jetzt so ist. „Manche wissen ganz genau Bescheid, informiere­n sich zum Beispiel über die Zeitung, andere können es aber nicht nachvollzi­ehen. Aber auch die akzeptiere­n es, dass es andere Regeln gibt“, so Wörrle.

Produktivi­tät ging zurück

Die neuen Arbeitsstr­ukturen bedingen auch, dass jahrelang bestehende Beziehunge­n zu Betreuern aufgebroch­en werden. Einerseits sei das schwierig für die Behinderte­n, aber natürlich auch für die Betreuer, die dann Förderdoku­mentatione­n für Menschen aufbereite­n müssen, die sie kaum kennen. „Vieles ist durch Corona deutlich komplizier­ter geworden“, sagt der Lebenshilf­e-geschäftsf­ührer.

Allen sei aber klar: Die Regelungen müssen strikt eingehalte­n werden, weil Corona-infektione­n unbedingt vermieden werden sollen. Bis jetzt, so Wörrle, habe es in den Einrichtun­gen keinen Fall gegeben. Eine Infektion eines Behinderte­n während der Urlaubszei­t

sei jedoch tödlich verlaufen.

Nicht nur in der Werkstatt, sondern auch in den Wohnbereic­hen gelten im Blick auf den Infektions­schutz besondere Regelungen. Seit Januar werde dort täglich getestet, was wichtig sei. Ein Infizierte­r könne schließlic­h eine ganze Wohngruppe anstecken. Besucher dürften nur nach negativem Test hinein und es müssten Ffp-2-masken getragen werden. Eigentlich sind auch die

Wohngruppe­n gemischt. Eine Aufteilung nach Grad der Behinderun­gen, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg praktizier­t wurde, gebe es längst nicht mehr.

Die Corona-verordnung­en zielen jedoch auf genau solche Zusammense­tzungen ab. „Die Regelungen einzuhalte­n ist wie ein Slalom-lauf“, so Wörrle.

Für die Wohnformen würden die Behinderte­n in Bezug auf Corona, als vulnerabel, als besonders verletzlic­h gesehen. Beim Impfen hingegen sieht das anders aus. Mit Ausnahme von einzelnen seien Menschen mit Handicap, so Wörrle, nicht in der ersten Impfgruppe vertreten, sondern in der darauf folgenden.

Noch vor Weihnachte­n habe man Einwilligu­ngen zum Ausfüllen ausgegeben. Fast alle seien zurückgeko­mmen. „Der Wille geimpft zu werden ist sehr hoch“, so Wörrle.

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Foto: Rudi Penk In der Werkstatt im Ried wird zwar gearbeitet, aber wegen der Corona-pandemie unter anderen Bedingunge­n als üblich.

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