Lebenshilfe
Die Corona-pandemie hat mit speziellen Regelungen Auswirkungen auf den Alltag und die Arbeit von Behinderten. Die Impfbereitschaft ist sehr hoch.
So hart trifft Corona die Behinderten
Trennscheiben, Masken und Abstand: In vielen Produktionsstätten werden, um den Betrieb in Corona-zeiten aufrecht zu halten, diese Vorkehrungen getroffen. So auch in der Werkstatt der Lebenshilfe im Ried. Doch damit ist es, wie in anderen Betrieben, lange nicht getan. „Nichts läuft so wie gewohnt“, sagt Lebenshilfe-geschäftsführer Kurt Wörrle.
90 Menschen mit den unterschiedlichsten Handicaps arbeiten im Betrieb an der Siemensstraße im Osten der Stadt. Eingeteilt waren sie nach Eignung, Leistungsfähigkeit und persönlichen Präferenzen. Nach diesem System produzierte die Lebenshilfe Teile für Firmen aus der Region: Für die BSH etwa, für Hauff oder auch Gardena/husquarna.
Die Corona-pandemie hat dieses bewährte System jedoch gesprengt: Im März des vergangenen Jahres, während des ersten Lockdowns musste die Werkstatt zunächst für 40 Tage schließen, dann gab es Teilöffnungen. Im Juli ging es zurück in den Vollbetrieb.
Arbeiten in Kohorten
Gearbeitet werde jetzt, so Wörrle, aber in anderen Gruppen wie zuvor. „Wir mussten Kohorten bilden und die ursprünglichen Teams trennen. Jetzt haben wir drei größere Gruppen“, so der Geschäftsführer. Eine Gruppe wird aus Mitarbeitern gebildet, die zu Hause wohnen, das sind 43 Männer und Frauen. Die zwei anderen Gruppen setzen sich aus Bewohnern der beiden Heime in Giengen zusammen. Vermischungen darf es jetzt keine mehr geben. Aus den Gruppen heraus werden dann wiederum kleinere Teams gebildet.
Diese Art der Einteilung habe natürlich Auswirkungen auf die Produktivität und damit auch auf den Umsatz, der gesunken sei. Während des ersten Lockdowns sei zudem der Vertrag mit einem Partner ausgelaufen, ein Nachfolger sei nicht gefunden worden. „Die Verträge werden so weit wie möglich erfüllt“, so Wörrle.
Für die Behinderten selbst sei die Corona-situation nicht gut. „Sie leiden drunter, tragen alle Veränderungen aber mit und gehen die Situation mit Pragmatismus an“, sagt der Geschäftsführer.
Wobei nicht jeder ganz genau verstehe, warum die Situation jetzt so ist. „Manche wissen ganz genau Bescheid, informieren sich zum Beispiel über die Zeitung, andere können es aber nicht nachvollziehen. Aber auch die akzeptieren es, dass es andere Regeln gibt“, so Wörrle.
Produktivität ging zurück
Die neuen Arbeitsstrukturen bedingen auch, dass jahrelang bestehende Beziehungen zu Betreuern aufgebrochen werden. Einerseits sei das schwierig für die Behinderten, aber natürlich auch für die Betreuer, die dann Förderdokumentationen für Menschen aufbereiten müssen, die sie kaum kennen. „Vieles ist durch Corona deutlich komplizierter geworden“, sagt der Lebenshilfe-geschäftsführer.
Allen sei aber klar: Die Regelungen müssen strikt eingehalten werden, weil Corona-infektionen unbedingt vermieden werden sollen. Bis jetzt, so Wörrle, habe es in den Einrichtungen keinen Fall gegeben. Eine Infektion eines Behinderten während der Urlaubszeit
sei jedoch tödlich verlaufen.
Nicht nur in der Werkstatt, sondern auch in den Wohnbereichen gelten im Blick auf den Infektionsschutz besondere Regelungen. Seit Januar werde dort täglich getestet, was wichtig sei. Ein Infizierter könne schließlich eine ganze Wohngruppe anstecken. Besucher dürften nur nach negativem Test hinein und es müssten Ffp-2-masken getragen werden. Eigentlich sind auch die
Wohngruppen gemischt. Eine Aufteilung nach Grad der Behinderungen, wie es nach dem Zweiten Weltkrieg praktiziert wurde, gebe es längst nicht mehr.
Die Corona-verordnungen zielen jedoch auf genau solche Zusammensetzungen ab. „Die Regelungen einzuhalten ist wie ein Slalom-lauf“, so Wörrle.
Für die Wohnformen würden die Behinderten in Bezug auf Corona, als vulnerabel, als besonders verletzlich gesehen. Beim Impfen hingegen sieht das anders aus. Mit Ausnahme von einzelnen seien Menschen mit Handicap, so Wörrle, nicht in der ersten Impfgruppe vertreten, sondern in der darauf folgenden.
Noch vor Weihnachten habe man Einwilligungen zum Ausfüllen ausgegeben. Fast alle seien zurückgekommen. „Der Wille geimpft zu werden ist sehr hoch“, so Wörrle.