Ungeklärte Fragen
Eigentlich ist dieser Parteitag so ziemlich das Letzte, was die Christdemokraten derzeit gebrauchen können. Während das ganze Land sich fragt, ob die Corona-mutation aus Großbritannien nicht schon längst da ist, und ob nächste Woche auch noch Büros, Busse und Bahnen stillgelegt werden, kümmert sich die CDU ein Wochenende lang um sich. Noch dazu mit mäßigen Erfolgsaussichten. Denn die Partei muss damit rechnen, dass am Samstagmittag zwar ein Ergebnis in Sachen Bundesvorsitz vorliegt – ansonsten aber ziemlich wenig geklärt ist. Wenn alles gut geht, profiliert sich die CDU immerhin als digitaler Pionier und erbringt den Beweis, dass auch Parteichefs online gewählt werden können. Wenn es allerdings schief geht, ist die Blamage bodenlos.
Das kleine Virus hat vielfache Nebenwirkungen für den Parteitag: Dazu gehört auch, dass der Lagerfeuer-effekt des Treffens diesmal ausbleiben wird. Normalerweise tankt die Basis beim gemeinsamen Klatschen, beim Plaudern auf dem Gang und ja, auch beim alkoholischen Ausklang des Tages Kraft und Wärme für den anstehenden Kampf um die Wähler. Diese Auflade-funktion aber hat das Online-meeting schon mal nicht zu bieten. Whatsapp-gruppen und Daumen-hoch-buttons sind nun mal kein Ersatz für bunten Abend oder Standing Ovations.
Dabei hat die CDU derzeit kaum etwas so nötig wie ein bisschen Gemeinschaftsgefühl. Nichts dürfte im Laufe des Parteitags häufiger beschworen werden als das Wort „Zusammenhalt“. Nein, hinter der CDU liegt kein „ruinöser Wettbewerb“, wie ihn die scheidende Parteichefin Annegret Kramp-karrenbauer befürchtet hatte. Aber mehr noch als nach ihrer Wahl vor gut zwei Jahren wird es diesmal darauf ankommen, dass Sieger, Verlierer und vor allem ihre jeweiligen Anhänger die Reihen schließen. Und das schnell. Denn während bei AKKS Kür die Bundestagswahl noch drei Jahre entfernt war, ist sie nun auf acht Monate herangerückt.
Wenig Zeit auch für die Klärung der beinahe alles überwölbenden Frage, die offiziell auf dem Parteitag gar nicht erst gestellt wird: Wer aus der Union tritt an für das Kanzleramt? Ein
Nichts dürfte im Laufe des Parteitags häufiger beschworen werden als das
Wort „Zusammenhalt“.
frischgekürter Cdu-parteichef jedenfalls, der sich die Klärung dieser Aufgabe aus der Hand nehmen lässt, dürfte Schwierigkeiten haben, sich auch in anderen Belangen durchzusetzen. Es macht die Sache nicht leichter, dass im Kandidatenorbit nicht nur CSUCHEF Markus Söder kreist, sondern auch Gesundheitsminister Jens Spahn. Kandidat Friedrich Merz hat jedenfalls den Wunsch ausgegeben, dass aus dem vermutlich knappen Ergebnis des Parteitags im Laufe der Briefwahl mindestens 80 Prozent für den neuen Chef werden.
Und dann ist da noch die Kanzlerin. Dass das Duo Angela Merkel und AKK nicht funktionierte, obwohl es beide wirklich wollten, gibt einen Hinweis auf den Grad der Schwierigkeit. Womit wir wieder bei Corona wären: Solange die Bundeskanzlerin im Kampf gegen die Pandemie derart präsent ist, dürfte der Profilierungsplatz für den Neuen begrenzt bleiben. Wer auch immer das sein wird.