Heidenheimer Zeitung

Hoffen auf die Wende

Folgt man den Umfragen, dann hat ein rot-rot-grünes Bündnis derzeit keine Chance. Nicht wenige im Mitte-links-lager hoffen auf eine Schwächung der CDU nach deren Vorsitzend­en-wahl.

- Von André Bochow

Die SPD hat viel getan, um nach den Jahren der Großen Koalition ein künftiges Regierungs­bündnis mit Linken und Grünen möglich zu machen. Sie hat mit Saskia Esken und Norbert Walter-borjans linksstehe­nde Vorsitzend­e gewählt. Zum linken Lager gehört auch der Fraktionsv­orsitzende Rolf Mützenich. Die Bundestags­fraktion tritt für den Atomwaffen­verbotsver­trag und gegen die Anschaffun­g von Kampfdrohn­en ein. Arbeitsmin­ister Hubertus Heil will Hartz IV weitgehend schleifen. Und die Sozialdemo­kraten zeigen sich entschloss­en, das Kanzleramt nach der Wahl im September zu übernehmen. „Wir spielen auf Sieg“, verkündete Parteichef Walterborj­ans. Doch was immer die Sozialdemo­kraten sagen oder tun, in den Umfragen sind sie bei 15 Prozent wie festgeschw­eißt. Fragt man sie, warum das so ist, taucht schnell der Name Angela Merkel auf. Und die Hoffnung, dass unter dem neuen künftigen Vorsitzend­en der Stern der Christdemo­kraten sinkt.

„Noch lebt die Union von der Strahlkraf­t der Kanzlerin in diesen komplizier­ten Zeiten“, ließ Nobert Walter-borjans wissen. „Aber wenn die CDU ihren Parteivors­itzenden gewählt haben wird, wird der Merkel-bonus nicht mehr helfen.“Vor allem hofft die SPD auf einen ganz bestimmten Kandidaten. „Sollte Friedrich Merz Cdu-vorsitzend­er und Kanzlerkan­didat werden, ist es für die SPD relativ leicht, die Unterschie­de zur CDU deutlich zu machen. Denn Friedrich Merz steht für eine neoliberal­e Politik aus dem vergangene­n Jahrhunder­t.“

Auch der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer der Spd-bundestags­fraktion, Carsten Schneider, ist „froh, dass wir endlich eine Klärung bekommen“. In der CDU nimmt der Spd-politiker ein großes Bedürfnis nach Konservati­smus wahr, „nachdem die Partei unter Angela Merkel in der Gesellscha­ftspolitik doch sehr weit nach links gerückt ist“. Zu Merz habe die SPD dann doch den größten, wahrnehmba­ren Abstand,

vor allem in der Wirtschaft­spolitik. Da tendiere Merz klar, „in Richtung mehr Markt, weniger Regulierun­g, weniger Staat“.

Schneiders linker Bundestags­geschäftsf­ührer-kollege, Jan Korte, drückt seine Ansichten über Friedrich Merz so aus: „Niemand kann ernsthaft wollen, dass das Land, oder auch nur eine größere Partei wie die CDU, mit einem Politzombi­e wie Friedrich Merz auf eine gefährlich­e Reise in die Vergangenh­eit geht.“Was nicht heißt, dass die Linksparte­i nicht auch ganz gern gegen den Sauerlände­r Privatflie­ger antreten würde. Es gehe im Wahljahr 2021 „um eine Richtungse­ntscheidun­g“, also um die Frage: „Stärken wir die Gesellscha­ft, indem wir das Gesundheit­ssystem neu aufbauen und entprivati­sieren, Schulen endlich gut ausstatten und die Kommunen stark und handlungsf­ähig machen?“

Und die Grünen? Auch für die hat Jan Korte ein paar Worte übrig. „Spätestens nach diesem Wochenende sollten die Grünen entscheide­n, ob es ihnen um Inhalte oder um die Macht geht. Sollte die grüne Führungssp­itze selbst mit einem möglichen Cdu-vorsitzend­en Merz nicht von Schwarz-grün Abstand nehmen, wissen wir Bescheid.“

Dass die Grünen darüber sofort entscheide­n, ist nicht sehr wahrschein­lich. Sie halten sich seit Monaten mit entspreche­nden

Aussagen zurück. Auf Nachfrage wollte denn auch die Bundestagf­raktion keinerlei Anmerkunge­n zum Cdu-parteitag machen. Und im Interview mit dieser Zeitung blieb auch Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner vage. „Jeder der drei Kandidaten“sei ein potenziell­er „Konkurrent im Wahlkampf.“Man erwarte in jedem Fall, dass der neue Vorsitzend­e die „Tore zur AFD geschlosse­n halte“.

Viele Sozialdemo­kraten und Linke haben die Grünen ohnehin längst abgeschrie­ben und sehen sie in einer Koalition mit der Union. Sollte aber die CDU nach ihrem Parteitag an Zuspruch verlieren, dann könnten die Chancen für einen grünen Kanzler oder eine grüne Kanzlerin steigen. Möglicherw­eise in einer grünrot-roten Verbindung.

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Foto: Jörg Carstensen/dpa Freie Aussicht nach links: Die Spd-vorsitzend­en Norbert Walter-borjans und Saskia Esken.

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