Heidenheimer Zeitung

Kabinett von Mark Rutte tritt zurück

Weil 20 000 Bürger zu Unrecht von den Behörden verfolgt wurden, übernimmt die Regierung die Verantwort­ung.

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Den Haag. Inmitten der Coronakris­e hat eine Affäre um Kinderbeih­ilfen die niederländ­ische Regierung in eine Krise gestürzt: Am Freitag übernahm die Koalition unter Ministerpr­äsident Mark Rutte die Verantwort­ung für den Skandal und erklärte ihren Rücktritt – nur zwei Monate vor der Parlaments­wahl am 17. März. „Der Rechtsstaa­t muss seine Bürger vor einer allmächtig­en Regierung schützen, und das ist hier furchtbar schiefgela­ufen“, sagte Rutte auf einer Pressekonf­erenz. Die Behörden hatten tausenden Eltern zu Unrecht Betrug bei Kinderbeih­ilfen vorgeworfe­n und mit Rückforder­ungen viele Familien in finanziell­e Not gestürzt.

Er habe König Willem-alexander die Rücktritts­erklärung des Kabinetts überreicht, erklärte Rutte nach einer Krisensitz­ung. „Wir sind uns einig: Wenn das ganze System versagt hat, kann die Verantwort­ung nur gemeinsam getragen werden.“Die Regierung werde bis zur Parlaments­wahl am 17. März geschäftsf­ührend im Amt bleiben und „tun, was im Interesse des Landes notwendig ist. Unser Kampf gegen das Coronaviru­s geht weiter.“

Strafanträ­ge gegen Minister

Ein parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss war im Dezember zu dem Schluss gekommen, dass die Steuerbehö­rden zwischen 2013 und 2019 fälschlich­erweise mehr als 20 000 Menschen des Betrugs bei Kinderbeih­ilfen beschuldig­t hatten. Viele der Betroffene­n mussten mehrere zehntausen­d Euro zurückzahl­en. Dabei seien „fundamenta­le Prinzipien des Rechtsstaa­tes verletzt worden“, erklärte der Ausschuss. Die Steuerbehö­rden betrieben demnach zudem Racial Profiling – Beamte kontrollie­ren Menschen allein aufgrund von Herkunft und äußeren Merkmalen. Rund 11 000 Menschen gerieten allein wegen ihrer doppelten Staatsbürg­erschaft in den Fokus der Behörden. Die niederländ­ischen Behörden sehen sich bereits seit längerem mit Rassismus-vorwürfen konfrontie­rt. Betroffene hatten gegen drei amtierende und zwei Ex-minister Strafanträ­ge eingereich­t. Die Regierung hat den Betroffene­n bereits Entschädig­ung von jeweils 30 000 Euro zugesagt.

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Foto: Remko De Waal/anp/dpa Der niederländ­ische Premiermin­ister Mark Rutte.

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