Spuhlers Abgang wird zum Politikum
Breitet Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne) einen Vorhang über teures Aufsichtsversagen?
Stuttgart/karlsruhe. Seit 2011 ist Peter Spuhler Generalintendant des Badischen Staatstheaters; seine künstlerischen Verdienste sind unbestritten. 2009 unter Kunstminister Peter Frankenberg (CDU) berufen, hat der 55-Jährige dem Haus steigende Besucherzahlen, eine moderne Ausrichtung und die erstmalige Einladung zum Berliner Theatertreffen beschert. 2019 verlängerte der Verwaltungsrat unter Vorsitz von Frankenbergs Nachfolgerin Theresia Bauer (Grüne) einstimmig seinen Vertrag um weitere fünf Jahre – zwei Jahre vor der Zeit.
Inzwischen hat Bauer deshalb ein teures Problem. Nach massiven Protesten der Belegschaft gegen Spuhlers Führungsstil ist sein Abschied zum Sommer beschlossen; das Land muss über Ansprüche aus einem Vertrag verhandeln, dessen Laufzeit dann erst beginnt. Informierte Kreise beziffern Spuhlers Bezüge auf 250 000 bis 300 000 Euro pro Jahr; damit stehen für den Abschied bis zu 1,5 Millionen Euro im Raum.
Die Situation eskalierte im Sommer 2020 mit einem Offenen Brief des Personalrats an den 16-köpfigen Verwaltungsrat. Dem Gremium sitzt als Bauers Stellvertreter auch der Karlsruher Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) vor. Stadt und Land teilen sich die Trägerschaft des Theaters. Unter der Überschrift „Die Würde des Menschen ist unantastbar“klagte die Personalvertretung über „Kontrollzwang, beständiges Misstrauen, cholerische Ausfälle“auf Seiten Spuhlers, über Burn-outs und hohe Fluktuation als Folgen eines „toxischen Arbeitsklimas“.
Nach Reformzusagen des Intendanten hielten Bauer und Mentrup zunächst an ihm fest. Erst im November schlugen sie dem Rat doch eine Trennung vor, in die dieser wie auch Spuhler einwilligten. Kritiker halten es nicht für Zufall, dass der Sinneswandel kurz vor der Karlsruher Ob-wahl erfolgte – Mentrups
Herausforderer hatten das Thema für sich entdeckt; am 6. Dezember wurde er wiedergewählt.
Die „schwer wiegende Problematik der Führung am Badischen Staatstheater“sei den politischen Entscheidungsträgern im Verwaltungsrat seit Jahren kommuniziert worden, ohne auf spürbares Interesse zu stoßen, schrieb der Personalrat in seinem Brief. Warum war Spuhlers Vertrag dann 2019 ohne Not verlängert worden? Bauer und Mentrup begründeten das damals mit der hohen künstlerischen Qualität und anstehenden Bau- und Sanierungsmaßnahmen. Das Ministerium ergänzte jetzt, zwei Jahre Vorlauf seien im Theaterbereich üblich.
Nach dem Offenen Brief zeigten sich Bauer und Mentrup verblüfft über „neu und erstmals aufgeworfenen Sachverhalte“. Bauer räumte zwar ein: „Wir hatten schon früh eine Debatte über Leistungsdruck und Überstunden – von daher ein Dauerthema.“Das Ausmaß der Kritik habe sie aber überrascht.
Insider haben da Zweifel. In ihrem Offenen Brief verweisen die Mitarbeitervertreter für den Zeitraum seit 2014 auf Umstrukturierungsvorschläge, einen Moderationsprozess, eine Mitarbeiterbefragung und zahlreiche Gespräche mit den Verwaltungsräten. Im November 2018 sprachen Personalrat und Orchestervorstand im MWK vor. Dessen Pressestelle zufolge ging es um „allgemeine Hinweise zur Fluktuation und zu Burnout-fällen“und um die „Vorbereitung einer
Noch bis Sommer Generalintendant in Karlsruhe: Peter Spuhler.
Dienstvereinbarung ,Partnerschaftliches Verhalten am Arbeitsplatz‘“. „Die Kritik war bekannt“, räumt das Ministerium ein. Man habe die Dienstvereinbarung aber für eine gute Lösungsgrundlage gehalten. Bis zum Juni 2020 habe sich niemand mehr mit Beschwerden gemeldet. Spuhler selbst wollte sich wie die Personalratsvorsitzende Barbara Kistner gegenüber unserer Zeitung nicht äußern.
Es gibt durchaus Beobachter, die in der Affäre mehr als Streit um einen Führungsstil sehen. Einerseits rebelliere in Karlsruhe eine strukturell behäbige Szene gegen ein preisgekröntes, aber auch forderndes Programm, heißt es. Der Karlsruher Cduvorsitzende Ingo Wellenreuther hat Bauer neben Mentrup eine „unsägliche, fast menschenverachtende Reaktion“bescheinigt. Der Fdp-landtagsabgeordnete Nico Weinmann warf ihr „Vernebelungspolitik“vor: Obwohl die Auflösung bis zum Sommer geregelt sein müsse, gebe es keinen Zeitplan. Das liege wohl daran, „dass vor der Landtagswahl gar keine Lösung gefunden werden soll, die absehbar kostspielig für das Land werden wird“.
Bauer ließ auf Anfrage erklären, der Verwaltungsrat habe keinen Zeitplan beschlossen. In der Tat kenne sie Spuhler seit seiner Zeit als Intendant in ihrer Heimatstadt Heidelberg und duze ihn auch. Eine besondere persönliche Nähe gebe es aber nicht.
Warum wurde der Vertrag 2019 ohne Not verlängert?