Achtung: Ironie!
Warum Kinder Ironie lange nicht verstehen, dafür aber ihr eigenes Verständnis von Humor entwickeln, über das Erwachsene oft nur müde lächeln können.
Na, das hast du ja toll hingekriegt! Wasser tropft vom Tisch auf die Hose und die Hausschuhe des Mädchens. Dieses strahlt seine Erzieherin an. Ja, der Becher ist wirklich schön umgefallen. Und diese große Pfütze! Doch dann bemerkt sie deren genervten Gesichtsausdruck. Jetzt seufzt sie auch noch. Warum freut sie sich denn nicht? Das Mädchen patscht vorsichtig mit der Hand ins Wasser. Vielleicht muss es mehr spritzen? „Jetzt reicht es aber mit der Sauerei“, schimpft die Erzieherin los. Das Mädchen ist verwirrt, fängt an zu weinen. Für Erwachsene ist Ironie eine beliebte, gern eingesetzte Form von Humor. „Für Kinder dagegen ist Ironie ein ganz schwieriges Thema“, sagt Gabriele Haug-schnabel, die als Entwicklungsforscherin in Kandern die Forschungsgruppe „Verhaltensbiologie des Menschen“leitet. Das oben beschriebene Beispiel hat sie bei ihrer Arbeit in Kindergärten häufig in dieser oder ähnlicher Form erlebt. Erzieher, Eltern oder Lehrer setzen Ironie oft ein, um Kritik am Kind abzumildern. Doch die Kinder durchschauen den Unterschied zwischen Gesagtem und Gemeintem häufig nicht, so die Erfahrung von Gabriele Haug-schnabel.
Die Folge: „Das Kind wird verunsichert, wenn beispielsweise zwischen Sprache und Mimik ein Gegensatz herrscht. Denn bis zum dritten oder vierten Lebensjahr nehmen Kinder oft noch alles wörtlich“, sagt die Verhaltensbiologin Gabriele Haug-schnabel
Und zwar viele Jahre lang – soweit zumindest sind sich die Experten einig. „Ein genaues Alter, ab wann ein Kind Ironie durchschauen kann, lässt sich aber nicht festlegen“, sagt Gabriele Haug-schnabel. Wachsen Kinder zu Hause früh mit Ironie auf und haben ausgeprägte sprachliche Fähigkeiten, können sie Ironie vielleicht schon mit fünf, sechs Jahren verstehen. Andere durchschauen die doppeldeutigen Bemerkungen erst Richtung weiterführende Schule, manche gar bis ins Erwachsenenalter hinein nicht. Weshalb Verhaltensbiologin Gabriele Haug-schnabel auch dazu rät, Ironie bei Kindern bis ans Ende der Grundschulzeit weitgehend zu vermeiden. „Wenn man sie einsetzt, sollte man die Doppelbödigkeit zumindest mit dem Kind zusammen auflösen.“
Noch strenger ist die Verhaltensbiologin beim Einsatz von Sarkasmus und Zynismus. „Dieser beißende und verletzende Spott und Hohn hat im Umgang mit Kindern absolut nichts verloren. Er grenzt schon an emotionale Misshandlung“, sagt Gabriele Haug-schnabel.
Humor dagegen ist für die kindliche Entwicklung essenziell. Während Erwachsene vielleicht 20-mal am Tag lachen, machen Kinder das Hunderte Male. Warum das so ist, hat die Wissenschaft noch nicht herausgefunden. „Kinder sind schneller zum Lachen zu bringen als Erwachsene und können auch mehrmals über dieselben Dinge lachen“, sagt Gabriele Haug-schnabel.
Bereits in den ersten sechs Lebensmonaten gibt es zwischen Kind und Eltern rund 30 000 sogenannte Lächelkontakte, so der Emotionsforscher Rainer Krause von der Universität Saarbrücken. Mit Humor hat das allerdings noch nichts zu tun, sondern vielmehr mit Kommunikation. Erst wenn Kinder in der Lage sind, Widersprüche zu erkennen und die Perspektive zu wechseln, können sie gezielt etwas tun, das andere zum Lachen bringt. „Das ist ab einem Alter von ein bis zwei Jahren der Fall“, sagt Gabriele Haug-schnabel. Dann haben Kinder herausgefunden, was ihre Eltern zum Lachen bringt – und können entsprechende Gesichtsausdrücke oder
Verhaltensweisen gezielt dazu einsetzen. Meist ahmen sie dabei den Humor ihrer Eltern nach. „Machen die Eltern untereinander viele Späße, setzen auch ihre Kinder Humor eher in ihrer Kommunikation ein“, sagt Gabriele Haug-schnabel von der Forschungsgruppe „Verhaltensbiologie des Menschen“. Ab dem Kindergarten- und vor allem ab dem Grundschulalter orientieren Kinder sich dann verstärkt am Humor ihrer Freunde und Mitschüler.
Spätestens jetzt werden auch Unterschiede im Humor zwischen Jungen und Mädchen deutlich. „Jungs nutzen Humor gern, um Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Sie blödeln herum, erzählen oft Witze und lachen laut. Damit wollen sie auf sich aufmerksam machen“, sagt Gabriele Haug-schnabel.
Während männlicher Humor von der Konkurrenz um den besten Witz und die größte Aufmerksamkeit lebt, erleben Mädchen Humor als etwas, das sie vereint. Sie teilen lustige Beobachtungen gern in einer Gruppe mit ihresgleichen und kommen dann aus dem Kichern nicht mehr heraus. Wenn sie Witze erzählen, tun sie dies verständlicher und strukturierter als Jungs.
Und auch wenn Eltern sich über das Wort „Popo“meist nicht kaputtlachen können oder der Witz des Grundschülers auch nach fünfmaligem Erzählen nur ein müdes Lächeln hervorruft: Fördern sollten sie den Humor ihrer Kinder trotzdem und nicht niedermachen mit Bemerkungen wie „Das ist nicht lustig!“.
Denn Witze erzählen oder Wortspiele erfinden fördern die kognitive Entwicklung und die Sprachkompetenz. Und dann ist da noch die soziale Komponente von Humor. „Gemeinsam lachen tut einfach gut“, sagt die Verhaltensbiologin Gabriele Haug-schnabel.