Keine Diskussion ums Viereck
Nach 43 Jahren in Diensten der Stadtverwaltung sagt Rosemarie Croonen dem Rathaus ade. Zum Abschied erhielt sie die Goldene Münze des Sports.
stand: Croonen war die erste weibliche Führungskraft im Heidenheimer Rathaus.
Ihre Eltern waren als Vertriebene aus Ungarn nach Schnaitheim gekommen, wo Croonen aufwuchs – stolz darauf, ein Arbeiterkind zu sein: „Wir hatten alles, was wir brauchten. Immer genug, nie Luxus.“
Dem Abitur am Schillergymnasium schloss sich die Frage an, was nun folgen sollte. Alsbald vom Tisch war die Idee, Lehrerin zu werden. Stattdessen absolvierte Croonen eine kaufmännische Ausbildung, um dann am 1. März 1978 als Verwaltungsangestellte zur städtischen Hochbauverwaltung zu wechseln. Nebenberuflich studierte sie an der Verwaltungsund Wirtschaftsakademie und war als Jahrgangsbeste und Betriebswirtin fortan im Schulverwaltungsund Sportamt tätig. Als dessen Leiter Albert Schwarz 1992 in den Ruhestand ging und Karl Wingert seine Nachfolge antrat, avancierte Croonen zu seiner Stellvertreterin.
Das olympische Motto war ihr in dieser Funktion nicht genug. Sie war nicht nur dabei, sondern fand etwa Gefallen an der Aufgabe, Veranstaltungen zu moderieren. Als Allzweckwaffe am Mikrofon bewährte sie sich in deutscher, englischer und französischer Sprache bei den Fechtertagen, gab Ostalbwoche und Schäferlauf eine offizielle Stimme, führte durch zahlreiche städtische Sportlerwahlen, deren Organisation von 1986 bis 2020 in ihren Händen lag.
War dabei eine lockere Zunge gefragt, empfand sie es im Alltag als hinderlich, wenn um den heißen Brei herumgeredet wurde. „Ich hasse Diskussionen ums Viereck“, räumt sie in ihrer direkten Art ein, „wenn viel gesagt, aber wenig ausgedrückt wird. Damit kann man kein Problem an der Wurzel packen.“Dass ihr mit den Oberbürgermeistern Martin Hornung, Helmut Himmelsbach und Bernhard Ilg drei Rathauschefs große Freiheiten zugestanden, bezeichnet Croonen als Zeichen der Wertschätzung und als pure Notwendigkeit: „Anders hätte es nicht funktioniert, denn im Sport treten ständig neue Probleme auf, die allein mit den Buchstaben des Gesetzes nicht zufriedenstellend zu lösen wären.“
Mancher Dissens war bei allem Bemühen nicht aus der Welt zu schaffen: Machte das Waldbad trotz besten Märzwetters wieder erst im Mai auf, war Croonen schuld. Regnete es am Eröffnungstag, bekam sie das ebenso angelastet wie große Hitze. Von der wahlweise zu hohen oder niedrigen Wassertemperatur in den Becken ganz zu schweigen.
Obwohl die 65-Jährige gerne schwimmt, tat sie das daher lieber anderswo. Ein gewisser Abstand zwischen Beruf und Freizeit musste notgedrungen sein. Aus vergleichbarem Grund ist sie in keinem Sportverein Mitglied: „Sonst hätte ich bei meinen Entscheidungen, die ich stets um der Sache willen getroffen habe, nicht immer neutral sein können.“
Dass Croonen die Belange des Breiten- und des Spitzensports gleichermaßen im Blick hatte, wurde bei ihrer Verabschiedung deutlich. Zwar war die Gästezahl im Emil-ortlieb-saal coronabedingt begrenzt, gleichwohl gaben
ihr neben Kollegen und Stadträten etliche Funktionäre von Profiund Amateurvereinen die Ehre.
Das wertvollste Geschenk bracht OB Bernhard Ilg mit: die Goldene Münze als höchste Auszeichnung der Stadt in Sachen Sport. Ilg sprach von einem Glücksfall für sich persönlich und für die Stadt generell: „Wer im Sport etwas bewegen will, braucht Rose Croonen an seiner Seite. Das Gute ist: Wer den Sport in unserer Stadt nach vorne bringen will, weiß Rose Croonen an seiner Seite.“Auf dieses „Naturgesetz“sei stets Verlass gewesen.
Ilg attestierte Croonen Tugenden, die auch im Sport zählen: Fleiß, Aufrichtigkeit, Verlässlichkeit, Loyalität. Auch die Bereitschaft, dem Gegenüber mal die Leviten zu lesen, „und damit meistens und zum Bedauern des Gescholtenen auch noch völlig richtig zu liegen“. Denn, so Ilg weiter: „Wer ein ,geht nicht‘ von ihr hört, der kann sicher sein, dass es tatsächlich nicht geht.“
Und was geht künftig? „Erst einmal runterfahren und raus aus der Tretmühle“, sagt Croonen, die sich nun in einer ganz neuen Disziplin beweisen muss: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwierig ist, in Rente zu gehen. Aber es ist ja auch das erste Mal.“
Die ungarischen Gäule können schon mal mit mir durchgehen.
Rosemarie Croonen