„Irgendwann ist Schluss“
Erst teilten Sie mit, dass Sie aus der römisch-katholischen Kirche aus- und zu den Altkatholiken übertreten. Jetzt geben Sie bekannt, dass Sie einen Mann heiraten wollen. Ist das eine die Voraussetzung für das andere?
Das hängt ja zusammen. Mir war klar, dass ich auf jeden Fall meinen Priesterstatus in der römisch-katholischen Kirche verliere, wenn ich einen Mann heirate. Aber ich wäre auch so ausgetreten.
Warum? Sie haben doch sehr lange durchgehalten. Irgendwann ist Schluss. Mir geht natürlich – wie vielen Menschen – der Umgang mit den Betroffenen sexuellen Missbrauchs furchtbar auf den Geist. Aber nicht nur das: Es tut sich einfach nichts, obwohl Forderungen nach Reformen immer lauter werden.
Daran wird auch der Synodale Weg nichts ändern.
Ist Ihnen der Schritt zu den Altkatholiken trotzdem schwer gefallen?
Der Übertritt nicht, aber der Austritt aus der römisch-katholischen Kirche ist mir natürlich schon schwer gefallen. Ich bin von Kindheit an römisch-katholisch und in dieser Kirche groß geworden. Ich war Ministrant, Priester, Pater, Mönch, Prior. Das ist meine Heimat gewesen. Aber durch den Übertritt zu den Altkatholischen darf ich mich ja nach wie vor katholisch fühlen und als katholisch bezeichnen. Dort ist die Ökumene weit verbreitet, ein gemeinsames Abendmahl mit Protestanten ist dort kein Problem.
Mit Ihrer Entscheidung, einen Mann zu heiraten, stellen Sie nicht nur die Haltung der römisch-katholischen Kirche zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften infrage, sondern auch den Zölibat für katholische Priester.
Wenn jemand zölibatär leben will, soll er das ja können und gerne tun. Aber dieser Zwangszölibat wird mehr und mehr zu einem riesigen Problem für die Kirche. Es gibt inzwischen Pfarreien mit
100 000 Mitgliedern, weil es einfach nicht genügend Priester gibt. Wo soll das denn hinführen?
Wie haben Sie Ihren Mann kennengelernt?
Im Internet. Ich weiß gar nicht, warum sich so viele Leute genieren, das zu sagen. Das Internet ist doch die rationalste Art, jemanden zu finden, der zu einem passt. Außerdem hätte ich gar nicht gewusst, wohin ich gehen soll, um jemanden kennenzulernen. ein Drittel der katholischen Priester in heterosexuellen Beziehungen lebt, ein Drittel in homosexuellen. Nur ein Drittel versuche also, sich ehrlich an den Zölibat zu halten. Die DBK nannte die Zahlen damals „nicht evidenzbasiert“.
Anerkennung gefordert
Gläubige Homosexuelle fordern unterdessen schon lange den kirchlichen Segen für ihre Partnerschaften und damit auch die offizielle Anerkennung dessen, was es im Verborgenen ohnehin längst gibt. „Aus heutiger Sicht kann man sagen, dass es solche Feiern eigentlich schon lange Zeit und im Grunde überall gibt“, sagt Thomas Pöschl, Vorstandsmitglied der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HUK) in Nürnberg.
Auch Bilgri selbst sagt, er habe immer wieder schwule und lesbische Paare gesegnet. „Aber das musste natürlich immer im Geheimen stattfinden – bei denen zu Hause, im Standesamt oder in einer ganz kleinen Kapelle.“
Bilgris Entscheidung verbreitet aus Pöschls Sicht Hoffnung und Resignation gleichermaßen: „Das macht mir Hoffnung, dass Menschen fähig sind, ihre Versprechen der Kirche gegenüber dem unterzuordnen, was wirklich mit dem Glauben verbunden ist“, sagt er. Aber: „Es ist natürlich traurig, dass es innerhalb der katholischen Kirche keinen Weg dafür gibt und dass man sie verlassen muss. Wenn jemand gehen muss, ist das im Prinzip eine Niederlage der römisch-katholischen Kirche.“