Ein Fußballer wagt den Perspektivwechsel
Kevin Damrose macht „dramatische“Sportfotos, zum Beispiel für den 1. FC Heidenheim. Wie er innerhalb eines Jahres zum Shootingstar wurde, berichtet der 29-Jährige Gerstetter im Interview.
Kevin Damrose fotografiert unter anderem bei Spielen des 1. FC Heidenheim. Der Gerstetter erklärt, worauf es dabei ankommt.
Beim 1. FC Heidenheim und dem SV Waldhof Mannheim werden die Dienste des Sportfotografen Kevin Damrose häufig angefragt, auch andere Profiklubs strecken die Fühler nach ihm aus – doch was macht ihn so besonders? Im Gespräch beschreibt Damrose seinen Stil und berichtet von einem steilen Aufstieg.
Herr Damrose, Sie haben ja noch Spiele miterlebt, bei denen Tausende Fans mit dabei waren. Inzwischen ist es ziemlich ruhig in den Stadien. Macht das für Sie und Ihre Arbeit einen großen Unterschied?
Ich finde das schon krass, weil so viele Emotionen fehlen. Die Stimmung ist komplett anders. Wenn du ins Stadion reingehst und die Stadionwurst riechst, die Aufregung spürst, einfach das ganze Paket – das ist unvergleichlich. Ich fiebere auch immer mit der Mannschaft mit, für die ich fotografiere. Ich könnte unter „normalen Bedingungen“ja viel mehr Emotionen abbilden, zum Beispiel die Fans zeigen. Das fällt gerade alles weg.
Ist es von Vorteil, noch relativ „frisch“in diesem Geschäft zu sein und eine generelle Offenheit für gegenwärtige Trends mitzubringen?
Auf jeden Fall. Sehr häufig erlebe ich etwas ältere Fotografen in den Stadien, die nicht so den direkten Bezug zu Social Media und zu den Spielern mitbringen, vielleicht auch selbst nie Fußball gespielt haben. Die Vereinsvertreter erkennen, dass ich da eher zu den Jungen zähle und andere Ideen entwickele.
Wann haben Sie mit dem Fotografieren angefangen?
Intensiven Kontakt mit Kameras hatte ich während meiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann von 2012 bis 2015. Danach habe ich es aber für mehrere Jahre komplett bleiben lassen. Bis 2019 habe ich überhaupt nicht mehr fotografiert.
Wie ging es dann weiter?
2019 hat mich dann plötzlich die Sportfotografie interessiert. Ich bin selber begeisterter Fußballfan, spiele seit 20 Jahren im Verein und wollte meine beiden Leidenschaften unbedingt verknüpfen.
Wie haben Sie es so schnell zu den Profis geschafft?
Zunächst habe ich eine Anzeige im Internet gesehen, in welcher ein Pressefotograf gesucht wurde. Auf diese Stelle habe ich mich beworben und recht schnell auch die Zusage bekommen. Ein Freund hat mir den Kontakt zum 1. FC Heidenheim vermittelt, wo ich bei einem Zweitligaspiel Bilder machen durfte. Die Bilder haben dem FCH dann so gut gefallen, dass ich wiederkommen durfte. Seit Januar 2020 habe ich ein Kleingewerbe angemeldet und bin freier Fotograf.
Was machen die Vereine alles mit Ihren Fotos?
Die Klubs verwenden sie für die Homepage, die Stadionzeitschrift und natürlich für Social Media.
Warum machen Sie das nicht hauptberuflich, wenn Sie bei Profiklubs so gefragt sind?
Ich bin ja erst seit etwas mehr als einem Jahr als Sportfotograf tätig. Und die Corona-pandemie hat stark dazu beigetragen, dass ich bei vielen Spielen gar nicht dabei sein kann. Vor Corona durften bis zu 20 Fotografen ins Stadion, aktuell nur um die zehn – acht am Spielfeldrand und drei auf der Tribüne.
Was muss ein guter Fotograf denn so können?
In erster Linie braucht er ein gutes Auge und erst in zweiter Linie eine gute Kamera. Jeder sieht eine Situation anders, deshalb macht die gute Kamera nicht automatisch das gute Bild. Die beste Kamera ist immer die, die man aktuell hat. Auch der Instinkt ist wichtig. Man muss schon vor einem entscheidenden Moment erahnen, was gleich passiert – ich habe da als langjähriger Fußballer so ein Gefühl, wo und wann etwas passieren könnte.
Was macht Ihre Bilder besonders im Vergleich zu anderen Fotografen?
Ich bringe meine eigenen Farben mit rein, habe meinen eigenen Bearbeitungsstil – es gibt dagegen auch andere Sportfotografen, die Farben grundsätzlich nicht ändern.
Und Sie spielen ganz bewusst mit den Farben?
Ja, meine Bilder haben immer dieselben Farbkombinationen. Es ist mein Markenzeichen, diesen Farbstyle zu haben. Und die Farben sind es, die mich von anderen Fotografen unterscheiden.
Wie kam es dann dazu, dass Sie auch bei anderen Klubs fotografiert haben?
Über die Presseagentur, für die ich anfangs gearbeitet habe, habe ich bei verschiedenen Klubs fotografiert, zum Beispiel bei Waldhof Mannheim in der dritten Liga. Sehr schnell kam ich dann in Kontakt mit Vereinsvertretern, denen meine Bilder aufgefallen waren.
Das ging aber richtig schnell
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Auf jeden Fall. Dass ich mich selbst schnell weiterentwickle, ist mir auch sehr wichtig. Einmal habe ich eine Einladung von Fortuna Düsseldorf bekommen und durfte ausgerechnet in einem Spiel gegen den 1. FC Heidenheim Bilder machen, da musste ich schon schmunzeln.
Eine besondere Verbundenheit hegen Sie zu dem Bild, das die Leserinnen und Leser hier rechts sehen können.
Ja, dieses Bild erzählt seine ganz eigene Geschichte, für die ich ein bisschen ausholen muss. Nachdem ich über die Agentur zum ersten Mal bei einem Spiel von Waldhof Mannheim im Einsatz war, bekam ich von vielen Spielern die Rückmeldung, dass sie die Bilder toll finden, unter anderem auch von Joseph Boyamba, den Sie auf diesem Bild sehen.
Wir nahmen persönlich Kontakt auf, woraus sich eine richtige Freundschaft entwickelte.
Nun zum Bild selbst – wie kam es zu dem Foto?
Also, Boyamba ist Anfang dieser Saison zu Waldhof Mannheim gewechselt und hat gleich super getroffen, dann aber leider eine Durststrecke erlebt und war zwischendurch auch verletzt. Kürzlich, am Ostersamstag, war ich als Fotograf im Einsatz, als Mannheim gegen Zwickau gespielt hat. Als sich ein anderer Spieler verletzt hatte, kam Boyamba in der 20. Minute in die Partie und erzielte mit seinen 1,70 Meter Körpergröße das Tor des Tages zum 1:0-Sieg per Kopf. Er, mein Freund, macht also dieses wichtige Tor, läuft zu mir und schaut mir durch das Objektiv meiner Kamera direkt in die Augen.
Ein sicher auch für Sie emotionaler Moment . . .
Ja, deshalb ist das aktuell auch mein Lieblingsbild. Durch Boyamba habe ich den Profisport von allen Seiten kennengelernt und durfte vor allem ihn als Menschen kennen und schätzen lernen. Das Tor hat mich persönlich sehr für ihn und den Verein gefreut.
Beschreiben Sie doch mal die Farben auf dem Bild.
Ich denke, hier kann man ganz gut erkennen, warum ich meinen Farbstil als „dramatisch“bezeichne: Er hat viele Schwarztöne und so ein bisschen einen Vintage-style. Er geht so in die Richtung, wie die Bilder früher noch ausgehen haben.
Wieviel Zeit nimmt die Nachbearbeitung in Anspruch?
Ich würde mal sagen, so etwa zwei Stunden bin ich nach dem Spiel noch beschäftigt. Man muss mit der Bearbeitung sehr schnell sein, weil der Sport so schnelllebig ist. Am Montag interessiert sich niemand mehr für das Spiel vom Samstag. Ganz wichtig dabei: Der Spieler oder Verein soll im Fokus stehen, nicht der Fotograf.
Ist es Ihr Ziel, ganz von der Fotografie zu leben?
Ja, auf jeden Fall. Der Fokus liegt aber fast ausschließlich auf der
Sportfotografie. Hochzeiten, Porträts, das mache ich schon auch – aber 95 Prozent sind bei mir Sport.
Weil es Sie selbst am meisten interessiert?
Ja, seitdem ich denken kann bin ich Fußballfan.
Was war denn das schönste Lob, das Sie für ein Bild bekommen haben?
Oh, das ist schwer zu sagen. Die beste Bestätigung ist, wenn die Spieler meine Bilder posten, wenn sie dann noch Abzüge haben wollen, um Poster zu machen und diese bei sich an die Wand zu hängen.
In welcher Klasse oder auf welchem Level würden Sie gerne mal fotografieren?
Der internationale Fußball würde mich total reizen. Eine Weltmeisterschaft müsste es gar nicht sein, ich bin nicht so der Fan von den großen Nationen-turnieren. Aber die Champions League – das wäre schon richtig cool.
Das ganze Interview
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