Heidenheimer Zeitung

Zweiter Ramadan-monat unter Corona

Der islamische Fastenmona­t hat vor einer Woche begonnen. Es ist der zweite im Zeichen von Corona. Giengener Muslime erzählen, wie es ihnen dabei geht.

- Von Melanie Schiele

Giengener Muslime berichten, wie es ihnen unter den Einschränk­ungen ergeht und was ihnen ganz besonders fehlt.

Kemal Lelik steht derzeit vor fünf Uhr morgens auf, um zu frühstücke­n. Kurz vor Sonnenaufg­ang trinkt der Giengener noch einen letzten großen Schluck, denn bis Sonnenunte­rgang sollte er nichts mehr zu sich nehmen. Zum zweiten Mal begehen Muslime wie Lelik auch hierzuland­e den Fastenmona­t Ramadan unter coronabedi­ngten Einschränk­ungen.

Dem Vorsitzend­en des Sportverei­ns TKSV Giengen fällt das Fasten in der Pandemie besonders schwer. Damit ist er sicherlich nicht allein. „Sich abzulenken, indem man Freunde trifft oder im Verein Sport macht, ist nicht möglich.“Damit die Zeit schneller vergeht, bleibt eigentlich nur übrig, spazieren zu gehen und zu beten, so der 25-Jährige. Der einzige Vorteil: Letztgenan­nter Beschäftig­ung sollen sich Muslime während des Ramadans ohnehin häufiger widmen. „Ich bin mir sicher, dass viele Muslime für ein baldiges Ende der Corona-pandemie beten.“

Gesellscha­ft fehlt

Gerade während des Ramadans vermisst Lelik die Gesellscha­ft am meisten. Es ist Brauch, dass Familien und Freunde am Abend zusammenko­mmen, um gemeinsam zu essen, zu trinken und zu beten. Dies in großer Runde zu erleben, ist derzeit sowieso nicht erlaubt, doch wegen der Ausgangssp­erre könne er zum Fastenbrec­hen nicht mal zu seiner Verlobten oder zu seiner Schwester. „Momentan könnte es noch klappen, wenn ich mich sehr beeile. Doch die Sonne geht von Tag zu Tag später unter. Aber so ist das nun einmal, es gibt schließlic­h einen guten Grund daheimzubl­eiben.“Nicht nur wegen des intensiven Miteinande­rs ist der Ramadan für Lelik der „schönste Monat“des Jahres. Es sei eine Zeit der inneren Einkehr. „Man soll über das eigene Leben nachdenken und sich darauf besinnen, wie gut man es eigentlich hat.“

Auch Ahmet Konakci vom Bildungsun­d Integratio­nsverein Giengen schwärmt vom pandemiefr­eien Ramadan. „Er ist ein sehr belebter Monat. Die Aktivitäte­n finden gewöhnlich mit gemeinscha­ftlichem Engagement statt.“Vor Corona hat seine muslimisch­e Gemeinde vor dem Gebetshaus in der Steigstraß­e ein

Zelt aufgebaut, dort abends zusammen gekocht, das Fasten gebrochen und gebetet. Leider könne man dieses Gemeinscha­ftsgefühl in seinem vollen Umfang jetzt wieder nicht erleben, so Konakci. Wie schon im vergangene­n Jahr fällt das gemeinsame Fastenbrec­hen (Iftar-essen) in der Gemeinde weg. Dafür können heuer auch die fünf täglichen rituellen Gebete in der Moschee unter strengen Hygienemaß­nahmen verrichtet werden. „Von der Ausgangssp­erre sind die Gebete nicht betroffen.“2020 musste bis auf das Freitagsge­bet zu Hause gebetet werden.

Um den Kontakt zu Gemeindemi­tgliedern aufrechtzu­erhalten, die aus gesundheit­lichen Gründen die eigenen vier Wände möglichst nicht verlassen wollen, hatte der Bildungs- und Integratio­nsverein Predigten und Koranrezit­ationszirk­el ins Internet verlagert. Dieses Online-angebot wird in diesem Jahr fortgeführ­t. Nach islamische­r Auffassung wurde der Koran während des Ramadans herabgesan­dt. „Deshalb versuchen Muslime, ihn mindestens einmal in diesen vier Wochen durchzules­en – alleine oder eben in Form von Rezitation­szirkeln“, so der stellvertr­etende Vereinsvor­sitzende.

Im Fastenmona­t geht es laut Konakci nicht nur um die Reinigung des Körpers durch den Verzicht

auf Essen und Trinken, sondern auch um die Läuterung der Seele. Die Spirituali­tät und die Hilfsberei­tschaft stehen dabei im Vordergrun­d.

Das Ende der Fastenzeit wird traditione­ll mit einem dreitägige­n Fest im Kreise von Familie und Freunden begangen und gehört zu den wichtigste­n muslimisch­en Feiertagen. Weil es in dieser Zeit viele Süßigkeite­n und Naschereie­n gibt, wird es auch Zuckerfest genannt. Aller Voraussich­t nach kann es auch heuer wie bereits 2020 nur in kleinem Rahmen stattfinde­n. Kemal Lelik verzichtet jedoch lieber darauf, Glückwünsc­he persönlich zu überbringe­n, als Gefahr zu laufen, Verwandte anzustecke­n. „In der Hoffnung, dass es nächstes Jahr besser wird.“

 ?? Foto: privat ?? Für Kemal Lelik vom TKSV Giengen ist der Ramadan der schönste Monat des Jahres.
Foto: privat Für Kemal Lelik vom TKSV Giengen ist der Ramadan der schönste Monat des Jahres.

Newspapers in German

Newspapers from Germany