Gar nicht sexistisch
Einen Interviewmarathon hatte die Grünen-kanzlerkandidatin, Annalena Baerbock, am Montag hinter sich gebracht. Alle Fernsehsender rissen sich um die Grünen-chefin, die Historisches für die Partei erreichen soll. Eine Frage kam auffallend häufig vor: Wie will Baerbock Kanzlerinnenschaft und Muttersein vereinbaren? Kommentatoren empörten sich, wie man denn auf dieser Frage herumreiten könne. Das sei sexistisch. Doch das ist mitnichten so. Es ist eine Frage, die Journalisten stellen dürfen und im Falle einer möglichen künftigen Kanzlerin sogar stellen müssen.
Würde man diese Frage auch einem Mann stellen? Das würde man vielleicht nicht. Das müsste man aber. Es geht um das wichtigste Amt dieses Landes, das selbst Arbeitstiere an ihre Grenzen bringt. Es geht um vollgepackte Tage, wo sich ein Termin an den nächsten reiht und nachts Entscheidungen von nationaler Tragweite getroffen werden müssen. Es geht darum, wie das Familienleben mit zwei kleinen Kindern eine Kanzlerin vereinnahmen könnte, und darum, dass der Wähler ein Recht darauf hat, das in seine Entscheidung einfließen zu lassen. Dabei ist egal, ob Baerbock eine Frau ist. Ein Vater stünde in einer gleichberechtigten Partnerschaft vor demselben Problem.
Einen Unterschied gibt es aber doch: Als Frau und Mutter kennt Baerbock die Sorgen und Nöte von Frauen eher als ein Mann. Deshalb kann sie ein Vorbild sein in Sachen Vereinbarkeit von Karriere und Familie. Und zwar nicht, indem sie noch härter arbeitet und Entbehrungen erträgt als Angela Merkel. Sondern indem Baerbock frauenfeindliche Strukturen ändert und eine Politik der Förderung weiblicher Talente betreibt.