Streit um Schwelle für Schulschließungen
Lehrer und Linke kritisieren geplante Gesetzesänderung. Kliniken füllen sich mit schweren Corona-fällen.
Berlin. Auf den Intensivstationen nimmt die Zahl der Covid-19-patienten zu – am Dienstag lagen dort laut dem Register der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) 4966 schwer an Corona Erkrankte, 34 mehr als am Montag. Laut Divi-präsident Gernot Marx sei in den Kliniken „der Druck immens“. Immer häufiger müssten Patienten von 30, 40 Jahren behandelt werden.
Der bisherige Höchststand bei der Belegung war am 3. Januar 2021 mit 5762 erreicht worden, auf dem Höhepunkt der ersten Welle
waren es am 18. April 2020 insgesamt 2922. Marx appellierte an den Bundestag, an diesem Mittwoch den Änderungen am Infektionsschutzgesetz, die eine bundeseinheitliche Notbremse – unter anderem mit einer nächtlichen Ausgangssperre – vorsehen, zuzustimmen.
Letztere wird von den Linken rundweg abgelehnt. In einem Papier, das vom Bundesvorstand der Partei am Dienstagabend verabschiedet wurde, heißt es unter anderem: „Die Ausweitung staatlicher Kontrolle ist ein Kennzeichen eines Kapitalismus im Krisenmodus.“
Um die dritte Welle zu brechen, sei „ein harter Durchgriff auch gegen die Profitinteressen der Unternehmen nötig“. Merkel und Spahn würden „im Freizeitleben und bei der Kultur ansetzen“.
Kurswechsel gefordert
Die Linken wollen einen „radikalen Kurswechsel“, verlangen Inzidenzen „im niedrigen zweistelligen Bereich“, plädieren für Homeoffice-pflicht und für ein schnelleres Schließen der Schulen und Kitas. Sie bei steigenden Fallzahlen offen zu halten sei
„eine Gefahr für die Gesundheit der Beschäftigten, Kinder und deren Eltern“.
Auch der Deutsche Lehrerverband hält nichts von im veränderten Gesetz vorgesehenen Grenzwert für Schulschließungen. Es sei zwar ein Fortschritt, dass nach der Überarbeitung des Entwurfs nun eine Sieben-tage-inzidenz von 165 Infektionen pro 100 000 Einwohner als Grenze für ein Ende des Präsenzunterrichts vorgesehen sei, „doch auch eine Inzidenz von 165 ist noch deutlich zu hoch“, so Verbandspräsident Heinz-peter Meidinger. „Präsenzunterricht muss ab einer Inzidenz von 100 beendet werden.“Zunächst war im Gesetzentwurf sogar ein Grenzwert von 200 vorgesehen gewesen.
Dagegen sagte Spd-gesundheitspolitikerin Sabine Dittmar, sie sei „wahnsinnig froh, dass wir von den 200 weggekommen sind“. Spd-vize-fraktionschef Dirk Wiese meinte, über den Schwellenwert sei lange debattiert worden. „Letztendlich resultiert die 165 daraus, dass am Montag der Durchschnittswert aller 16 Bundesländer beim Inzidenzwert bei ungefähr 165 lag.“