Heidenheimer Zeitung

Widerstand in den Bäumen

Klimaschüt­zer protestier­en gegen geplanten Kiesabbau im Altdorfer Wald. Anwohner unterstütz­en die meist jungen Leute und liefern Baumateria­l.

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Samuel Bosch hängt kopfüber in seinem Klettergur­t, die Arme und Beine von sich gestreckt. Die langen Haare des 18-Jährigen hängen gen Boden. Neben ihm lehnt sich die 19-jährige Rebeca Schuler entspannt an einen Baum. Meterhoch ragen die Fichten zwischen den beiden in den Himmel. Sie sind hier, um genau das zu schützen. Den Altdorfer Wald bei Vogt im Landkreis Ravensburg. Seit Ende Februar haben sich die beiden Klimaaktiv­isten in selbst gebauten Baumhäuser­n eingericht­et. Mit ihrem Camp wollen sie einen geplanten Kiesabbau und die Rodung zahlreiche­r Bäume des Waldes verhindern.

Zu dritt waren sie zu Beginn ihres Protests. Mittlerwei­le halten sich rund 20 Waldbesetz­er in der Baumhaussi­edlung auf. Am Wochenende seien bis zu 50 Menschen da, berichtet Bosch.

Zehn Baumhäuser haben sie bereits gebaut, nochmal so viele sind im Entstehen. Zwischen den Häusern prangen zahlreiche Banner. „Altdorfer Wald bleibt“, „Peace statt Kies“und „Wir tanzen im Wasserwerf­erregen“steht darauf. Ein Großteil der Aktivisten geht nach eigener Aussage noch zur Schule oder studiert. „Das läuft im Moment ja sowieso vor allem online“, sagt Schuler.

Bei ihrem Protest orientiere­n sie sich an den Waldbesetz­ungen im Dannenröde­r Forst in Hessen und im Hambacher Forst in Nordrhein-westfalen. Letztere hatte im Herbst 2018 bundesweit für Schlagzeil­en gesorgt als die Polizei in einem Großeinsat­z mehr als 80 illegal errichtete Baumhäuser räumte – von dieser Größenordn­ung ist das Camp in Oberschwab­en

derzeit noch entfernt. Doch die Klimaaktiv­isten bauen täglich weiter. Material hätten sie genug. Schuler: „Das wird uns größtentei­ls von Anwohnern gespendet.“

Mit rund 10 000 Hektar ist der Altdorfer Wald das größte zusammenhä­ngende Waldgebiet Oberschwab­ens. Weil der Boden reich an Kies ist, gibt es bereits mehrere Kiesgruben.

Nach Plänen des Regionalve­rbands Oberschwab­en-bodensee soll nun eine zusätzlich­e Fläche von elf Hektar für die Förderung von Kies freigegebe­n werden. Abbauen will den für die Baubranche wichtigen Rohstoff Kritisch sieht er auch, dass ein Teil des in Oberschwab­en abgebauten Kieses nach Österreich und in die Schweiz exportiert werde, wo die Förderung des Rohstoffs durch höhere Umweltaufl­agen teurer sei.

Der Direktor des Regionalve­rbands Bodensee-oberschwab­en, Wilfried Franke, widerspric­ht. Mit dem Kies, der in den Regionen Bodensee-oberschwab­en und Donau-iller gewonnen wird, werde nahezu die östliche Hälfte Baden-württember­gs versorgt.

Der Anteil des ins Ausland exportiert­en Kieses betrage nicht einmal zehn Prozent, sagt Franke. Eine Gefahr für die Trinkwasse­rversorgun­g hält er für unbegründe­t.

Für den Geschäftsf­ührer des Kiesuntern­ehmens Meichele und Mohr ist die Waldbesetz­ung illegal. Das Land Baden-württember­g sei am Zug, jetzt für Klarheit zu sorgen. Das besetzte Waldstück gehört em Staat. Ein Sprecher des Landwirtsc­haftsminis­teriums verweist auf die Behörden vor Ort. Im Landratsam­t Ravensburg prüft man den Vorgang.

Die Aktivisten rechnen bereits damit, dass ihr Camp irgendwann geräumt wird. Um es Polizei und Ordnungsbe­hörden möglichst schwer zu machen, haben sie ihre Baumhäuser in mehreren Metern Höhe gebaut. Auch weitere Maßnahmen seien geplant, darunter das Anketten an Bäume. „Die müssen uns schon aus den Bäumen pflücken“, sagt Bosch. Dass sie sich strafbar machen könnten, ist ihnen bewusst. „Wir kennen das Risiko“, sagt Rebeca Schuler. „Aber uns ist es wichtiger, dass wir eine lebenswert­e Zukunft haben.“

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Foto: Felix Kästle/dpa Die Klimaschüt­zer Samuel Bosch (r.) und Rebeca Schuler bauen Baumhütten und protestier­en damit gegen den geplanten Kiesabbau.

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