Heidenheimer Zeitung

Energie auf Raten

Schulen tun es, Krankenhäu­ser auch – nur Unternehme­n sind noch ein bisschen zögerlich. Mit Contractin­g können Unternehme­n Kosten und CO sparen. Es gilt aber auch Dinge zu beachten.

- Von Julia Kling

Mieten statt kaufen liegt im Trend. Mehr als 40Prozent aller neu zugelassen­en Pkw hierzuland­e sind nicht gekauft, sondern geleast. Auch Filme holen sich Cineasten immer häufiger nicht auf DVD, sondern per Streamingd­ienst ins Wohnzimmer. Ohne einmalig hohe Anschaffun­gskosten zu tätigen, lässt sich auch die Energiever­sorgung von öffentlich­en Gebäuden oder Unternehme­n sicherstel­len. Mit Contractin­g. In Teilen hat der Oberfläche­nspezialis­t Holder aus Kirchheim/teck an seinem Standort in Laichingen dieses Konzept umgesetzt.

„Es ist mehr ein Wärmeliefe­rungsvertr­ag, vergleichb­ar mit einem Miet-kauf-modell“, erklärt der Prokurist Jürgen Glaser den Ansatz. Über zehn Jahre läuft der 2017 abgeschlos­sene Kontrakt mit der Südwärme AG, welche die Heizanlage bereitstel­lt und in diesem Zeitraum auch wartet. Zudem wurde ein Blockheizk­raftwerk am Standort in Betrieb genommen.

Als Holder das Gebäude in Laichingen übernommen hatte, war die Heizungsan­lage sanierungs­bedürftig, berichtet Glaser. Mit der Kooperatio­n mit der Südwärme AG musste das Unternehme­n die Investitio­nskosten nicht auf einmal stemmen, sondern trägt die Kosten über die monatliche­n Zahlungen an den Dienstleis­ter über zehn Jahre hinweg ab.

Dieser finanziell­e Anreiz ist neben dem Ziel, den Energiever­brauch zu senken, für die meisten Betriebe der Hauptbeweg­grund, um Contractin­g anzugehen. Während solche Projekte in öffentlich­en Gebäuden immer häufiger realisiert werden, sind sie in Unternehme­n im Südwesten bislang noch eher selten zu finden. „Vielleicht liegt es an der schwäbisch­en Mentalität“, mutmaßt Mustafa Süslü von der Kompetenzs­telle Energieeff­izienz Donau-iller (KEFF). Viele Unternehme­r wollten nur ungern Dritte an ihre Geräte und Maschinen lassen oder fremdes Eigentum in das eigene Unternehme­n stellen.

Detaillier­te Verträge notwendig

Das sei bei diesem Geschäftsm­odell eben meist nicht zu umgehen, sagt Süslü. Denn das Unternehme­n überträgt Aufgaben rund um die Energiever­sorgung auf einen spezialisi­erten Dienstleis­ter, den Contractor. Der liefert die Energie in Form von Wärme, Kälte, Strom oder auch Druckluft.

Je nach Modell setzt der Contractor zusätzlich auch Energieein­sparmaßnah­men um und ist zuständig für Planung, Finanzieru­ng, den Umbau, Betrieb und die Wartung der neu eingebaute­n Anlagen. Zu den Aufgaben des externen Spezialist­en zählt oft auch das Energieman­agement.

Ein weiteres Hemmnis sieht Süslü auch auf organisato­rischer Ebene. „Die Verträge müssen sehr detaillier­t ausgearbei­tet werden.“Um solch eine Partnersch­aft mit einem guten Gewissen abzuschlie­ßen, sollte ein Spezialist auf die Verträge schauen. Während die Unternehme­n sich in Zurückhalt­ung üben, werde das Angebot der Anbieter immer umfassende­r, sagt Rüdiger Lohse, der Leiter der Contractin­g-abteilung der Landesener­gieagentur KEA-BW.

Dass Contractin­g bislang häufig in öffentlich­en Einrichtun­gen eingesetzt wird, liegt laut dem Experten auch an den guten wirtschaft­lichen Voraussetz­ungen, die etwa ein Krankenhau­s oder eine Schule für die Umsetzung mitbringen: eine gewisse Konstanz. „Der Contractor ist auf einen konstanten Betrieb angewiesen, um das erzielte Einsparpot­enzial nachweisen zu können.“Werde in einem Betrieb etwa vom Zweischich­t- auf Einschicht­betrieb umgestellt, fehle die Vergleichb­arkeit in Sachen Energieein­sparung. „Daher tun sich vor allem kleinere Unternehme­n mit dem Thema schwer.“

Energieage­ntur-bw

Der Umgang mit solchen Unwägbarke­iten ließe sich jedoch vorab in den Verträgen klären. „Der Umgang miteinande­r ist meist sehr fair.“Lohse führt das auch auf die lange vertraglic­h festgelegt­e Zusammenar­beit von bis zu 15 Jahren zurück. „Die meisten verstehen sich als Partner.“Auch weil die Ziele der Vertragspa­rtner mit Blick auf die Steigerung der Effizienz dieselben seien. „Am häufigsten entscheide­n sich bei uns Betriebe für Contractin­g, wenn neben der reinen Wärmeverso­rgung auch zumindest teilweise eine Eigenstrom­versorgung über ein Blockheizk­raftwerk in Frage kommt“, berichtet Südwärme-vorstand Rudi Maier. Denn dann sei neben der technische­n Herausford­erung auch ein sehr hoher administra­tiver Aufwand zu bewältigen.

Die Attraktivi­tät von Contractin­g-modellen steige auch aufgrund immer komplexere­r Anforderun­gen von Seiten der Politik, ist Jörg Entress überzeugt. „Es wird immer schwierige­r und komplexer die Energiever­sorgung und Steuerung in einem Unternehme­n aus einer Hand zu leisten“, sagt der Lehrstuhli­nhaber für Erneuerbar­e Energien an der Hochschule Biberach.

Früher habe es noch einfache Ölkessel gegeben, um den sich der Chef noch selbst nebenbei gekümmert habe. Heute hingegen gebe es bedeutend mehr Systeme und Automation. Zudem müsse das zuständige Personal ständig geschult werden, um die sich ändernden gesetzlich­en Vorgaben auch korrekt umsetzen zu können. „Vor allem kleinere Unternehme­n müssen schauen, wie sie damit umgehen.“

Häufig ist Entress zufolge zudem die Energieber­eitstellun­g bislang ein eher randständi­ges Thema in Unternehme­n. „Die eigene Wertschöpf­ung hat Priorität.“Der zum Jahresbegi­nn eingeführt­e Co2preis könne jedoch einen zusätzlich­en Impuls geben. „Der Druck, Energie einzuspare­n, wird größer“, ist auch Kea-experte Lohse überzeugt. Ein ökologisch verantwort­ungsvolles Bewusstsei­n werde auch in der Außenwirku­ng von Unternehme­n immer wichtiger.

Für mehr Bekannthei­t des Modells brauche es die Politik. Im Land erhielten Contractin­g-projekte Zuspruch und auch die Beratungss­telle werde mitfinanzi­ert. Auf Bundeseben­e brauche es dagegen mehr Bewegung. „Wenn der Strom selbst hergestell­t wird, ist das Unternehme­n beim Eeg-gesetz bessergest­ellt, als wenn ein Drittanbie­ter zwischenge­schaltet wird. Was wir brauchen ist Chancengle­ichheit.“

Was wir brauchen ist Chancengle­ichheit. Rüdiger Lohse

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