Modellprojekt auf wackligen Beinen
Die Sorge um die Zukunft des islamischen Religionsunterrichts an Schulen treibt die Landespolitik um.
Amin Rochdi führt zur Zeit viele Gespräche. Er ist seit März 2021 Geschäftsführer der Stiftung Sunnitischer Schulrat, doch der Streit um die Lehrerlaubnis für den Freiburger Islamwissenschaftler Abdel-hakim Ourghi lässt dem einstigen Lehrer, der für die Landesstiftung beurlaubt wurde, wenig Zeit zur Einarbeitung. Jüngst hat er mit Studierenden für das Fach islamischer Religionsunterricht in Weingarten und Freiburg gesprochen, um sie zu beruhigen. „Da waren natürlich Ängste da,“sagt er. Neben der PH Freiburg mit Ourghi ist auch die PH Weingarten durch die Nichterteilung der Lehrerlaubnis für den Dozenten Abdel-hafiez Massud betroffen.
Auf wackeligen Füßen
Beide Fälle liegen vor dem Schiedsgericht der Stiftung, vor Herbst ist nicht mit einer Entscheidung zu rechnen. Man habe auch eine Fürsorgepflicht für die Studenten, man wolle die Ängste nehmen, so Rochdi. Jene brauchen künftig als Lehrer ebenfalls die Lehrerlaubnis der Stiftung. „Das Kennenlernen ist für beide Seiten essentiell. Damit sie wissen, für wen sie ins Rennen gehen.“
Der Wirbel angesichts der Vorwürfe Ourghis, man wolle mit ihm einen Vertreter des liberalen Islam mundtot machen, auch die Warnung des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann (Grüne) vor einem Scheitern der Stiftung, machen klar, auf welch wackligen Füßen das Projekt steht. Das Land gründete 2019 die Stiftung für die Organisation islamischen Religionsunterricht, sie ist bis zum Jahr 2024 angelegt.
Ministerpräsident Kretschmann wollte in der Fortschreibung des seit 2006 laufenden Modellprojekts für den Islamunterricht bekenntnisorientierten Unterricht nach dem Vorbild der christlichen Kirchen anbieten, aber angesichts fehlender anerkannter Religionsgemeinschaften
auf der islamischen Seite einen gewissen staatlichen Einfluss ausüben. Seine Sorge: Andernfalls könnten klagende Verbände die Anerkennung als Religionsgemeinschaft gerichtlich erzwingen. Das Land konnte damals nur mit zwei relativ kleinen Verbänden zusammenarbeiten, dem Verband der Islamischen Kulturzentren sowie der Islamischen Gemeinschaft der Bosniaken.
Der Vorstand der Stiftung wird von fünf Personen gebildet, die von den beiden Verbänden benannt werden. Für drei der Vorstandsmitglieder ist die Zustimmung des Landes erforderlich. Die deutlich größeren Moscheeverbände Ditib und die Islamische Glaubensgemeinschaft (IGBW) hatten damals die Mitarbeit abgelehnt.
Nur ein Bruchteil der Schüler mit muslimischem Hintergrund wird überhaupt mit dem neu ausgerichteten Angebot erreicht. Derzeit gibt es Islamunterricht an 86 Schulen, rund 6000 Schüler nehmen teil. 2018/2019 gab es kritische Stimmen bis in die Regierungsparteien Grüne und CDU. Das damalige Modell falle dem Ministerpräsidenten nun auf die Füße, so auch grüne Stimmen im Hintergrund.
Andere Bundesländer als Vorbild
Beim Regierungspartner CDU war mancher mit dem Blick auf die potenziellen Partner nicht begeistert, favorisiert wurde eher ein staatlich organisierter religionswissenschaftlicher Islamunterricht nach dem Vorbild anderer Bundesländer.
Bischöfe der christlichen Kirchen hatten sich aber bei der CDU für diesen bekenntnisorientierten Unterricht starkgemacht. Ein stärkerer Anteil der vom Land gebilligten Vertreter in den Gremien der Stiftung sollte damaligen Bedenken Rechnung tragen.
Bei Abgeordneten vor allem der Regierungsfraktionen laufen nun die Drähte heiß, werden Gespräche mit allen Beteiligten geführt. Denn klar ist, bald beginnen die Debatten, wie es nach 2024 weitergehen soll. Alexander Becker, Abgeordneter aus Rastatt und Schulexperte der Cdu-landtagsfraktion, erinnert an die damalige Kritik aus den eigenen Reihen, aber heute ist für ihn klar: „Wir wollen das Stiftungsmodell zum Erfolg führen“. Der konfessionsgebundene Unterricht müsse etabliert werden, Kernpunkte für die Partner müssten die Akzeptanz der Wissenschaftsfreiheit und die Freiheit vom Einfluss anderer Staaten sein.