Kunst als wesentlicher Teil des Lebens
Vielseitig schöpferisch tätig ist der Nattheimer Künstler Rudolf Thelen. Der Mitbegründer der Nattheimer Kunstausstellung kann seit 60 Jahren auf stetig wachsendes Werk blicken – gegenständlich, abstrakt, farbig und schwarzweiß.
Der Nattheimer Künstler Rudolf Thelen kann nach sechs kreativen Jahrzehnten auf ein stetig wachsendes, vielseitiges Werk blicken.
Nulla dies sine linea – kein Tag ohne Strich – dieses Zitat, das dem griechischen Maler Apelles zugeschrieben wird, könnte auch das Motto von Rudolf Thelen sein. Kein Tag vergeht, an dem sich der Nattheimer nicht mindestens sechs Stunden seiner Kunst hingibt. Obwohl er nie Kunst studiert hat, sieht man doch schon auf den ersten Blick, und nicht erst, wenn man einen Blick auf seine Arbeiten wirft, dass es sich bei dem Werk, das täglich entsteht, um einen Anspruch handelt, der sich zu einem Lebensthema entwickelt hat.
Ernst und Respekt, mit denen er sich täglich seiner künstlerischen Arbeit widmet, bekam er schon in die Wiege gelegt, sein Vater war akademischer Maler und hatte die Messlatte, was den Anspruch an die Kunst betrifft, in der Familie schon sehr hoch gelegt. Zu allem Überfluss tragen Vater und Sohn nicht nur den gleichen Nach-, sondern auch noch den gleichen Vornahmen.
Viel ist über den hemmenden Einfluss geschrieben worden, den Künstlereltern auf die eigene künstlerische Entwicklung ihres Nachwuchses ausgeübt haben. Golo Mann etwa, Sohn des Literaturnobelpreisträgers Thomas Mann, offenbarte in seinen Memoiren, dass ihm das Schreiben erst nach dem Tod seines Vaters überhaupt möglich gewesen sei.
Schulkarriere abgebrochen
Eine ähnliche Hemmung erlebte auch Thelen in seiner Jugend gegenüber dem väterlichen Werk im Besonderen und der Malerei im Allgemeinen. Am Hellenstein-gymnasium erlebte er Konflikte mit dem damals noch streng nationalsozialistisch geprägten Lehrkörper. Es folgten schließlich der Abbruch der schulischen Karriere und eine Schlosserlehre.
Zum Wendepunkt in seinem Leben wurde die Begegnung mit dem Heidenheimer Maler Franz Kneer. Das hierzulande bekannteste Werk Kneers ist der Bildband „Zeichnungen und Skizzen aus dem Kreis Heidenheim“, aus dem immer wieder Zeichnungen in Druckerzeugnissen erscheinen, wenn es um die Darstellung historischer Ansichten Heidenheims geht. Kneer war es, der das Talent des jungen Thelen erkannte und ihn zu eigenem künstlerischem Schaffen ermutigte.
Fast lebenslange Beschäftigung
So begann die inzwischen sechzigjährige Beschäftigung des gebürtigen Krefelders mit der Kunst – eine Beschäftigung, die durch seine Frau Julianna immer mitgetragen wurde. Berührungspunkte und Begegnungen mit anderen Künstlern ergaben sich auch immer wieder durch Thelens langjährige Arbeit als Lithograf bei einem Druckereibetrieb. Zudem war Thelen Anfang der 70er-jahre Mitbegründer der Nattheimer Kunstausstellung, welche nahezu 40 Jahre bestanden hat, und daher bis heute der Geschichte des Kulturlebens im Kreis Heidenheim eingeschrieben bleibt. An den Volkshochschulen Nattheim und Giengen gab Thelen lange Jahre Mal- und Zeichenkurse.
Ein Gemälde Thelens aus dem Jahr 1990.
Ganz nebenbei wuchs das eigene Werk des inzwischen 82-Jährigen stetig an. Viele Studienarbeiten, Aquarelle, Grafiken, Zeichnungen zeigen den Künstler auf der stetigen Suche nach Ausdruck. Einen Schritt nach vorn in seiner Entwicklung macht er, als er sich von den Gegenständen löst und zu grafischen Konstruktionen kommt, teilweise seriell angelegt, zunächst in Schwarz-weiß, dann auch in Farbe.
Karton und Papier
Mittlerweile wird für Thelen das Haptische immer essentieller. In einer Welt, die immer mehr heterogen und pluralistisch zu entgleiten scheint, wird für ihn das Begreifbare im wörtlichen Sinne immer wesentlicher. So entstehen immer mehr Skulpturen aus Papier und Karton, die man auch als eine Umsetzung seiner grafischen Arbeiten ins Dreidimensionale begreifen kann.
Jedenfalls ist in seinen neuesten Arbeiten weit mehr eine Kontinuität zu seinen bisherigen Gedankengängen auszumachen als ein Bruch. Interessant bleibt, wie beim erfahrenen Künstler die Visionen zurückzutreten scheinen, und die Kunst wieder mehr als das erscheint, was sie ursprünglich einmal gewesen ist, eine besonders definierte Form des Handwerks. So spielt das Händische, das Haptische, das Handwerkliche im reinsten Sinne des Wortes auch die größte Rolle in den aktuellen Arbeiten des Künstlers.