Unbeliebter Job
Das Amt des Außenministers war in fast vergessenen bundesdeutschen Zeiten einmal ein Garant für Beliebtheit. Man reiste durch die Welt, löste internationale Probleme mit Diplomatie oder zuweilen einem dicken Scheckbuch und glänzte oft auch noch als Vizekanzler. Die Umfragewerte von Hans-dietrich Genscher sind legendär. Für einige Politiker war es auch ein Sprungbrett. Willy Brandt wurde danach Kanzler, Frank-walter Steinmeier Bundespräsident.
Der Mythos ist verflogen. Unter Amtsinhaber Heiko Maas führt das Ministerium ein Schattendasein. Die außenpolitische Sonne strahlt aus einer anderen Richtung. In der Ära Angela Merkel wurden die großen Linien der Außenpolitik nicht vom Auswärtigen Amt gezogen, sondern zwei Kilometer entfernt: im Kanzleramt. Hier die Köchin, da der Kellner.
Diese Entwicklung überrascht auf der einen Seite angesichts der großen weltpolitischen Probleme der letzten Jahre nicht. Die Zeit des bröckelnden transatlantischen Verhältnisses unter Us-präsident Donald Trump, Konflikte mit Riesen wie China, eine zerfasernde Europäische Union oder auch der Ukraine-konflikt vor der Haustür der EU verschoben das politische Koordinatensystem in einer Weise, wie man es seit dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr erlebt hat.
Zwar sind Maas’ Diplomaten versiert. Aber mit den großen außenpolitischen Erfolgen kann sich letztlich die Kanzlerin schmücken, etwa mit der internationalen Konferenz zur Beilegung des Bürgerkriegs in Libyen vor anderthalb Jahren. Die politische Dresche, wenn etwas schiefgeht, bezieht der Außenminister. Beim Abzugs-debakel von Afghanistan stand zuvorderst Maas im Kreuzfeuer. Nur die ohnehin zu Ende gehende Legislaturperiode
bewahrte ihn vor einer ernsthaften Rücktrittsdebatte. Inzwischen wollen laut einer Umfrage 41 Prozent der Deutschen, dass der frühere Justizminister der nächsten Bundesregierung nicht mehr angehört.
Auch nach dem 26. September wird der Außenministerposten nicht der prestigeträchtigste werden. Denn die Musik der Macht spielt auf einer ganz anderen Bühne. Angesichts der dramatisch hohen Schulden, die sich Deutschland für die wirtschaftlichen Maßnahmen gegen die Corona-pandemie aufgebürdet hat, und der immensen Kosten zur Bekämpfung des Klimawandels rücken die Gewichte ganz eindeutig in andere Ressorts.
Und doch gibt es eine Chance für denjenigen, der künftig Deutschlands Außenpolitik in der Welt vertreten
Für den künftigen Amtsinhaber bietet sich eine Lücke, um mit Ideen Deutschlands Rolle zu stärken.
wird. Denn welcher der Kandidaten auch immer ins Kanzleramt einzieht – es wird kein internationales Schwergewicht wie Angela Merkel sein, dessen Gravitation der Macht sämtliche wichtigen Entscheidungen an sich ziehen würde. Die Auswahl der Wahlkampf-themen zeigt sogar, dass den Kanzlerkandidaten außenpolitische Fragen nicht besonders wichtig zu sein scheinen. Hier bietet sich für den künftigen Amtsinhaber eine Lücke, um mit Ideen und Initiativen Deutschlands Rolle in der Welt zu stärken. Der Ruf nach mehr deutscher Verantwortung ist international deutlich zu vernehmen.