Heidenheimer Zeitung

Wie wichtig ist die Corona-inzidenz noch?

Der Heidenheim­er Gesundheit­samtsleite­r Christoph Bauer blickt besorgt auf die Situation in den Schulen und hofft auf mehr Impfungen, damit die Pandemie bald zur Endemie wird.

- Von Silja Kummer

Der Heidenheim­er Gesundheit­samtsleite­r Christoph Bauer erläutert, wie die Corona-inzidenz zu werten ist und welche Zahlen jetzt eine Rolle spielen.

Die vierte Corona-welle hat den Landkreis Heidenheim erreicht. Seit vier Wochen ist die Sieben-tage-inzidenz gestiegen, mittlerwei­le hat sie sich auf einem Wert um die 100 Neuansteck­ungen pro 100 000 Einwohner innerhalb der vergangene­n sieben Tage eingepende­lt. Laut Christoph Bauer, dem Leiter des Heidenheim­er Gesundheit­samtes, ist der Inzidenzwe­rt mit dem des Vorjahres aber nicht mehr zu vergleiche­n: „Vor einem Jahr war die Inzidenz auch an die Sterberate gekoppelt“, so der Mediziner. Dies sei heute nicht mehr der Fall, weil viele ältere und vorerkrank­te Menschen geimpft und somit zwar nicht 100-prozentig vor Ansteckung­en, aber zumindest vor schweren Verläufen geschützt seien.

Viele leichte Verläufe

Momentan würden sich viele junge Menschen mit Corona infizieren, die oft nur leichte oder asymptomat­ische Verläufe haben. Auch in den Schulen seien in der aktuellen Woche schon durch die Teststrate­gie Infektione­n festgestel­lt worden. Aber auch, wenn für junge Menschen eine Corona-infektion im Normalfall nicht bedeutet, dass sie schwer erkranken, plädiert der Gesundheit­samts-chef aus mehreren Gründen für eine Impfung: „Es geht bei einer Impfung immer um zwei Aspekte: Zum einen schützt man sich selbst, zum anderen auch diejenigen, die sich zum Beispiel aus medizinisc­hen Gründen nicht impfen lassen können oder die noch zu jung dafür sind“, sagt er.

Impfquote bei 53,1 Prozent

Der Schutz der Allgemeinh­eit, auch Herdenimmu­nität genannt, sei wichtig, um aus der Pandemie eine Endemie zu machen. Mit Endemie ist gemeint, dass die Krankheit zwar fortwähren­d da ist und innerhalb einer Population immer wieder auftritt, sich aber nicht exponentie­ll verbreitet, so wie das bei den ersten Corona-wellen der Fall war.

Um diesen Zustand zu erreichen, müsste die Impfquote im Landkreis Heidenheim noch weitaus höher sein. Momentan sind

nur 53,1 Prozent der Bevölkerun­g vollständi­g gegen Corona geimpft. Landesweit sind es 58,7 Prozent. Der benachbart­e Ostalbkrei­s liegt mit 58,9 Prozent sogar knapp darüber.

Zwar würden gerade Kinder von einer Covid-infektion nur wenig oder gar nichts spüren, allerdings gebe es auch immer wieder schwere Verläufe bei Kindern. „Und über Long Covid bei Kindern und Jugendlich­en ist noch zu wenig bekannt“, so Christoph Bauer. Aus diesen Gründen empfiehlt Bauer die Impfung ab 12 Jahren, wie dies auch die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) tut.

Noch ein weiterer Aspekt spiele bei der Impfempfeh­lung eine Rolle: die Furcht vor weiteren Mutationen des Virus. „Je mehr Infektione­n man vermeiden kann, umso weniger Mutationen wird es geben“, sagt Christoph Bauer. Dies sei jedoch ein globales Problem, denn selbst wenn Covid-19 in Deutschlan­d eine endemische Krankheit werde, könnten Mutationen in anderen Ländern auftreten, in denen nicht genügend Impfstoff zur Verfügung steht. Durch die globale Reisetätig­keit würde auch dann die Mutante irgendwann nach Deutschlan­d kommen. „Aber ich rechne nicht mit einem Killerviru­s, der alle Impfungen unwirksam macht“, so der Mediziner.

Es gelten die Landeszahl­en

Was die aktuellen Maßnahmen gegen die Verbreitun­g des Virus angeht, ist die Inzidenz im Landkreis nicht mehr maßgebend. „Ich schaue mir die Zahlen natürlich trotzdem an, weil sie das Geschehen vor Ort abbilden“, so Christoph Bauer. Für das Inkrafttre­ten der Warn- und Alarmstufe sind aber die Zahlen der Klinik- und Intensivpa­tienten aufgrund einer Corona-erkrankung entscheide­nd, und hier gelten jetzt die Landeszahl­en. „Das würde auch anders keinen Sinn machen, da manche Landkreise gar keine Klinik haben, andere sogar mehrere wie etwa die Universitä­tsstadt Ulm“, erläutert Bauer.

Covidpatie­nten meist ungeimpft

Bereits in der kommenden Woche könnte es soweit sein, dass die kritische Zahl von 250 Covidpatie­nten auf Intensivst­ationen landesweit erreicht wird. Dann müssten Ungeimpfte in vielen Bereichen negative Pcr-tests vorweisen, beispielsw­eise beim Besuch von Restaurant­s oder Sportstätt­en in geschlosse­nen Räumen. Ist das gerechtfer­tigt? Für Christoph Bauer mit Blick auf die Zahlen auf jeden Fall: „90 Prozent der Corona-patienten in Kliniken sind nicht geimpft“, sagt er. Laut Robert-koch-institut sind die meisten Covidpatie­nten, die ins Krankenhau­s müssen, zwischen 35 und 59 Jahre alt. Auch das durchschni­ttliche Alter der Intensivpa­tienten sei gesunken, so Christoph Bauer.

Tests an den Schulen

Die große Frage ist für den Leiter des Gesundheit­samts, wie die vierte Welle in den Kitas und Schulen ankommen wird, wo sehr viele nicht geimpft sind oder gar nicht geimpft werden können. In den kommenden zwei bis drei Wochen würde sich zeigen, ob dort gehäuft Corona-infektione­n auftreten, so Christoph Bauer. „Das Ziel ist es, auf jeden Fall die Schulen offen zu lassen“, sagt er. Deshalb seien das Testen der Schüler und die Hygienekon­zepte sehr wichtig.

Endemie im Frühjahr?

Bis zum kommenden Frühjahr, so hofft Christoph Bauer, könnte in Deutschlan­d die Pandemie zur Endemie geworden sein. „Bis dahin haben sich hoffentlic­h noch viele Menschen impfen lassen“, meint er. Aber auch viele der nicht Geimpften würden dann durch Ansteckung immun gegen die Krankheit geworden sein. „Wir müssen nur aufpassen, dass nicht alle Ungeimpfte­n gleichzeit­ig erkranken und das Gesundheit­ssystem dadurch überlastet wird“, sagt er.

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Foto: Markus Brandhuber Corona-tests bleiben in Schulen wichtig zur Eindämmung der Pandemie.

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