Heidenheimer Zeitung

Kunst des Machbaren

- Dieter Keller zum Zustand des Rentensyst­ems leitartike­l@swp.de

Eigentlich ist die Altersvers­orgung ein brennendes Thema. Die Hälfte der Wähler ist entweder schon im Rentenalte­r oder nicht so weit entfernt. Auch Jüngere machen sich Sorgen, ob die Rente noch zu finanziere­n ist. Doch im Wahlkampf spielt sie eine erstaunlic­h kleine Rolle. Zum Glück. Denn Politiker verspreche­n gerne viel ohne zu sagen, woher das Geld kommen soll.

Dabei wissen alle: Es sind grundlegen­de Reformen nötig, um die Rente und die private Vorsorge zukunftsfe­st zu machen. Die Babyboomer in Deutschlan­d gehen in den nächsten Jahren in Rente, und viel weniger junge Leute werden berufstäti­g. Auch gezielte Zuwanderun­g kann das höchstens zum Teil ausgleiche­n. Die Menschen werden immer älter, wollen aber möglichst früh in Rente gehen. Das alles ist nicht unter einen Hut zu bekommen.

Doch bei realistisc­hen Reformkonz­epten ist auf allen Seiten Fehlanzeig­e. Olaf Scholz redet die Probleme klein, indem er behauptet, die düsteren Prognosen der Wissenscha­ftler hätten sich nicht bewahrheit­et. Tatsächlic­h liegt das an deutlichen Einschnitt­en wie der Rente mit 67, die Franz Münteferin­g beherzt durchsetzt­e, als er sah, dass sonst die Beiträge aus dem Ruder laufen. Dieser Sozialdemo­krat kannte noch die Grundreche­narten.

Scholz und andere dagegen verspreche­n gleichzeit­ig ein hohes Rentennive­au, stabile Rentenbeit­räge und keine weitere Erhöhung des Rentenalte­rs. Dann ist absehbar, dass der Bundeszusc­huss explodiert. Ein Viertel des Bundesetat­s macht er heute schon aus. Nicht weil der Staat den Senioren großzügig helfen will, sondern weil die Politik den Rentenkass­en versicheru­ngsfremde Leistungen aufgehalst hat. Doch es ist unrealisti­sch, den Staatszusc­huss dramatisch zu erhöhen. Schon weil das auf Kosten der Zukunftsin­vestitione­n ginge.

Es bringt auch wenig, neue Beitragsza­hler zu suchen. Eine verpflicht­ende Altersvers­orgung für Selbststän­dige ist zwar überfällig, und die aktuelle Koalition hat versagt, weil sie nicht längst eingeführt wurde. Aber nicht, um Einnahmelö­cher zu stopfen. Und Beamte in die gesetzlich­e Rente einzahlen zu lassen, wäre zwar populär, aber hoch komplizier­t und lange Zeit teuer.

Mehr private Vorsorge ist dringend nötig, um im Alter nicht arm dazustehen. Doch bei der überfällig­en Reform der Riester-rente hat Schwarzrot gekniffen. Andere Konzepte klingen schön, sind aber unrealisti­sch.

Die FDP will einen Teil des Rentenbeit­rags

Die Union möchte sogar schon Neugeboren­en Geld für die Altersvors­orge zuschießen.

für eine kapitalged­eckte Altersvers­orgung abzweigen. Sie sagt aber nicht, wie sie dann die heutigen Renten bezahlen will. Die Union möchte sogar schon Neugeboren­en Geld für die Altersvors­orge zuschießen. Dabei sind nicht die Renten 2090 das Problem, sondern in den nächsten zwei Jahrzehnte­n.

Rentenpoli­tik ist kein Wunschkonz­ert, sondern die Kunst des Machbaren. Realistisc­h ist nur, die steigenden Lasten auf alle Schultern zu verteilen: Beitragsza­hler, Rentner und Staat, also Gesellscha­ft. Das zu lösen, bringt nicht Ruhm und Ehre. Aber es ist überfällig.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany